Samstag, 20. April 2013

Fleißiges Deutsch-unterrichten



Dieses leicht gestellte Foto soll einmal die Arbeit verdeutlichen, die ich in meinen Deutschkurs investiere. Wer genau hinsieht kann von links oben nach rechts unten folgendes entdecken
1) Vokabelliste zum 3. Kapitel
2) Einen aufgrund fehlender CD zum Buch meinerseits leicht improvisierten Hörverstehens-Text
3) Mein Arbeitsblatt zum Thema Verbkonjugation im Präsens
4) Einen Stadtplan mit Wegbeschreibung
5) Kärtchen in drei Farben zum verdeutlichen von „der“, „die“ und „das“
6) Meinen Notizblock, auf dem ich am Tag davor grob den Stundenverlauf notiere
7) Übersichtsplakate zu den Pronomen sowie der Konjugation von „sein“ sowie der regelmäßigen Konjugation am Beispiel von „kommen“
8) Kärtchen mit Buchstaben, besonders kompliziert: Ä, Ö, Ü und ß
9) Lehrbuch und Arbeitsbuch
10) Eine Mappe voller weiterer Kopien, Notizen und Zettelchen
11) Aus Schnipseln zusammengelegte Sätze zum verdeutlichen der Satzstellung in Aussagesatz und Frage
12) Kopien aus Arbeits- und Lehrbuch
13) Schere, Textmarker, Kuli, Bleistift und Buntstifte, oder was eine motivierte Lehrerin sonst noch so braucht

Mittwoch, 17. April 2013

Ostern ohne Ostern


Wie man Ostern in Mexiko feiert? Keine Ahnung. Meine Gastfamilie feierte einfach gar nicht. Vom Osterwochenende gibt es aber trotzdem einiges zu erzählen, denn meine Gastfamilie, die wie fleißigen Bloglesern bekannt ist aus drei Geschwistern besteht (Christian, Marisol und Gilberto), nutzte die freien Tage um gemeinsam mit mir ihre Eltern, Tanten, Großeltern, Cousins und so weiter, kurz gesagt ihr Heimat aufzusuchen. Ebenfalls mit von der Partie: Meine „Nichte“ Jimena, Tochter meines großen Gastbruders, sowie dessen Freundin, ebenfalls mit Kind.
Meine Gastfamilie kommt aus Zicuiran, einem, naja nennen wir es mal großen Dorf (wenn sich das nicht widerspricht), von etwa 3000 Einwohnern in Tierra Caliente. Diese Region Michoacáns, die übersetzt etwa  „heiße Erde“ heißt, ist zum einen, der Name verrät es kaum, für die Hitze bekannt, die dort herrscht, aber auch für Drogenkriminalität. All das trägt dazu bei, dass das Leben dort noch einmal ganz anders ist, als das was ich in Huecorio und Morelia kennengelernt habe.
Was das Drogengeschäft angeht, so hat das Dorf seinen Chef-narco (narcotraficante kurz “narco“= Drogenhändler). Jeder kennt ihn, doch niemand würde ihn ausliefern, denn ihm haben es die Leute zu verdanken, dass es so viel Arbeit gibt. Immer wieder auf Fahrten oder Spaziergängen durchs Dorf stupste mich meine Gastschwester an und erklärte: „Hier siehst du die Apotheke/diese Disko/diese Ampeln/… all das hat er bauen lassen, all das gehört ihm, aber pssst, man redet nicht darüber, denn diese Leute haben keine Skrupel dich umzubringen wenn du redest.“ Das Ganze geht so weit, dass ich eine Geschichte hörte, dass ein 8-Jähriger von der Polizei das Foto dieses Chef-narcos vorgehalten bekommen haben soll. Selbstverständlich kannte er ihn, doch er log den Polizisten ins Gesicht. der Chef-narco erfuhr davon und ließ dem kleinen 1000$ also etwa 65€ zukommen. Diese Geschichten werden hier übrigens genauso trocken bis lustig erzählt. Es ist etwas total Normales, die Leute haben sich damit arrangiert und wissen sich rauszuhalten. Trotzdem fand ich es gruselig Personen zu treffen die meine Gastschwester grüßten und im Nachhinein von ihr zu erfahren, dass auch sie narcos sind. Es ist so unvorstellbar für mich, wie normal das hier ist. Aber zurück zum offiziellen Leben im Dorf:
Am Donnerstag gegen Mittag, also zur heißesten Zeit des Tages kamen wir an. ich weiß nicht wie viel Grad es gewesen sein mögen, das einzige Mal, dass ich auf ein Thermometer schaute war abends um 10 Uhr, um diese Zeit zeigte das Thermometer nur noch 25 Grad.
Das Haus der Familie ist klein und einfach. Der hintere, ältere Teil ist aus Holz und unverschlossen. Nur der Bereich in dem Tortas (belegte Brötchen) verkauft werden sowie das Schlafzimmer, das sich früher die ganze Familie teilte, jetzt aber entsprechend nur noch wenn die Kinder zu Besuch sind richtig voll wird, haben Steinwände. Eigentlich findet das ganze Leben draußen statt, denn alle Türen (sofern es welche gibt) stehen offen und wer gerade nichts zu tun hatte, saß hinter dem Haus zwischen Kakteen, Zitronenbäumen und Palmen. Wie ich es schon aus Huecorio kannte, gibt es nicht laufend fließend Wasser wie etwa in Morelia. Das Wasser kommt nur alle paar Tage sodass man in dieser Zeit die „pila“ ein großes Wasserbecken volllaufen lässt. Daraus schöpft man dann Wasser zum waschen spülen oder duschen. Ja richtig, eine Dusche gibt es nämlich leider nicht. Macht es einem nichts aus, dass Vorbeigehende von der Straße aus zusehen könnten, kann man sich natürlich hinter der „pila“ duschen, wenn doch, nun, dann geht man eben zum Duschen zwei Straßen weiter die Tante besuchen.
So lernte ich nach und nach die ganze Familie kennen, einschließlich absolut liebenswerter Großmutter aus dem Nachbardorf. Im Elternhaus selbst hielt sich die Kommunikation in Grenzen, da die Mutter von ihrem Restaurant voll beansprucht ist und der Vater kein Mann der vielen Worte. Wer meine Aufmerksamkeit dagegen vollkommen beanspruchte war meine Nichte, die mich vorübergehend zu ihrer Lieblingstante erklärt zu haben scheint.
Wie wir also die ganze Zeit verbrachten? Ich weiß es auch nicht so ganz. Das Wochenende dort hatte so einen ganz anderen Rhythmus als das in Morelia. Abwechselnd widmeten wir uns der Kinderbespaßung – die beiden schleppten bald eine ganze Horde an Kindern aus der Nachbarschaft an – oder wurden zur „tienda“ (etwa Tante-Emma-Laden, in ganz Mexiko allerdings noch total gefragt) geschickt und ruhten uns zwischenzeitlich immer wieder im Schatten von der unerträglichen Hitze aus, tranken wahlweise eiskalte Cola oder eiskaltes Bier (mit Salz und Zitrone) und aßen frisch gepflückte Mangos. Einen Tag holten wir Kokosnüsse von der Palme, um das Kokoswasser kalt zu stellen und sowie das frische Kokosfleisch zu essen und ebenfalls an diesem Tag wurde aus dem friedlichem Planschen der Kinder im Planschbecken schnell eine Wasserschlacht zwischen uns „Erwachsenen“ die wir alle klitschnass beendeten. Einen anderen Tag kam eine Freundin Marisols mit ihrer gesamten Familie vorbei und wir brieten „mojarras“ für die ganze große Runde und veranstalteten eine Art Gartenparty. Zweimal fuhren wir nach Ixtapita (der Name ist ein Wortspiel, bedeutet kleines Ixtapa, der Name einer sehr touristischen Küstenstadt in Michoacáns Nachbarstaat Guerrero). Ixtapita liegt leider nicht am Strand sondern an einem Stausee. Trotzdem wurde dort eine Art Erlebnisschwimmbad eröffnet, mit Pool, Bananen-Boot, Restaurant und mehr. Wir kamen allerdings immer nur zum gucken vorbei. Ins Wasser hätte sich niemand getraut bei alledem was man sich über das erzählt was auf dem Grund des Stausees zu finden ist…
Ich sollte vielleicht bei meinem nächsten Besuch in Zicuiran ein paar Bilder machen. Diesmal wäre ich mir dabei etwas zu touristisch und aufdringlich vorgekommen.