Donnerstag, 7. November 2013

Das Nachbereitungsseminar

… ist schon über einen Monat her und in der Zwischenzeit ist schon wieder so viel passiert. Ich bin nach Ulm gezogen, das Semester hat begonnen und der Blogeintrag über das Seminar ist entsprechend auf der Strecke geblieben. Aber jetzt kommt er ja:

Am Mittwoch den 25.09. reisten wir alle an. Wir kamen aus ganz Deutschland, gerade zurückgekehrt aus der weiten Welt, genauer gesagt aus Lateinamerika oder Asien, da es für die Afrika-Freiwilligen aus Platzgründen ein eigenständiges Seminar gab. Seminarort war einmal wieder ein Selbstverpflegungshaus bei Kassel – bedeutet: selber kochen (gerne scharf wie im Gastland), alles bio, vegetarisch und Fairtrade und 24/7 geöffnete Kühlschränke und Vorratskammern! J

Den ersten Tag begannen wie mit Kennenlernspielen.  Etwa die Hälfte der Freiwilligen kannte ich schon aus der Vorbereitung oder sogar aus unserer gemeinsamen Zeit in Mexiko und es war schön sie wiederzusehen, sei es, um sich über unterschiedliche Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern auszutauschen oder unter uns unsere Mexiko-Zeit wiederaufleben zu lassen. Und wen ich noch nicht kannte, den oder die habe ich eben in den fünf Tagen kennengelernt.

Der zweite Tag begann mit der Frage: Wie verlief mein Jahr? Wir trafen uns in Kleingruppen, fertigten jeder seine eigene Collage in Form einer Stimmungskurve an und hatten anschließend Zeit, diese vorzustellen. Das hat zwar Spaß gemacht, aber ob es jetzt so viel gebracht hat… naja.

Nach der Mittagspause schloss sich eine Reflexions- und Kritikrunde bezüglich des weltwärts-Programmes und der verschiedenen Akteure, sprich Entsendeorganisation, Partnerorganisation im Gastland, Einsatzstelle oder aber übergeordneter Instanzen wie dem BMZ oder der deutschen Botschaft an. Diese Runde bewerte ich als sehr positiv, da ich mich sehr ernst genommen fühlte mit den Problemen, die das Jahr über auftraten. Schön fand ich auch in diesem Zusammenhang zu erfahren, dass es bald auch ein umgekehrtes weltwärts-Programm geben soll, in dem Freiwillige aus den Partnerländern nach Deutschland kommen.

Der Film-Abend wurde aufgrund extrem verkratzter DVDs leider zum Flop.

Und so sind wir schon bei Tag 3. Der Morgen des zweiten Tages lag unter dem Motto der Selbstreflexion. Was habe ich gelernt? Wie habe ich mich entwickelt? Was nehme ich mit? Wie war meine Ankunft in Deutschland? – Themen die mich derzeit beschäftigen (oder es zumindest bis zum Seminar taten, hier in Ulm bin ich gerade wieder viel zu beschäftigt dafür) und wie ich sie ja schon mehrmals im Blog in Worte zu fassen versucht habe. Interessant an dieser Besprechung in Kleingruppen, war zum einen, dass wir uns aufgrund ähnlicher Erfahrungen gegenseitig sehr gut zuhörten und uns verstehen konnten aber auch die Erkenntnis, dass es manchen auch sehr anders ergeht. So hat eine Freiwillige erzählt, dass sie sie zurück in Deutschland viel glücklicher ist als sie es im Gastland war, andere werden sofort wieder ins Gastland zurück fliegen und wieder andere schotteten sich bei ihrer Ankunft in Deutschland total ab oder waren zunächst sehr passiv, wie ich es auch bei mir beobachtet habe.

Am Nachmittag ging es weiter mit Reflexion, diesmal im globalen Kontext. Wir diskutierten über Energie, Umwelt und Konsum, über Religion und Werte, über Bildung, über Armut und über noch viel mehr. Das war sehr interessant, auch wenn ich viel zu wenig zu Wort kam. Die anschließende Methode, in der wir als „Generation der Wende zu einer gerechteren und ökologischeren Welt“ von interessierten und dankbaren aber leider stummen Zukunftsmenschen zu unserem Beitrag befragt wurden überforderte mich allerdings. Nur die Rolle als stummer Zukunftsmensch lag mir ganz gut.

Am Abend lag Info-Material für weiterführendes Engagement als weltwärts-Rückkehrer_in aus und ich schrieb mir einige Internetadressen auf, nicht zuletzt auch von einer Organisation, die auch eine Regionalgruppe in Ulm hat. Sollte sich da mal eine Mitarbeit ergeben steht das bestimmt auch wieder hier im Blog (also immer schön weiter anklicken, und wenn‘s nur einmal im Monat ist!) In einer kleineren Gruppe blieben wir noch lange gemeinsam sitzen, und unterhielten uns unter anderem auch über eigenes Engagement für Nachhaltigkeit. In dem Zusammenhang möchte ich euch mal eben Ecosia vorstellen, eine CO² neutrale Suchmaschine (ja googeln produziert CO², riesige Server wollen ja irgendwie betrieben werden), die ich seitdem nutze. Ebenso wie andere Suchmaschinen verdient auch diese Geld durch Werbeanzeigen, steckt sie jedoch zu 80% in ein Wiederaufforstungsprojekt. Ein Zähler zeigt dir an, wie viele Bäume schon gepflanzt wurden (gerade sind es 92.920) und wie viele davon mit deiner Hilfe (das sind bei mir bereits 720).

Es folgte Tag 4, der mich wohl am meisten zum Nachdenken anregte. Thema des Vormittags war das Berichten über unser Jahr. Das hat mich zum einen angeregt wieder mehr zu erzählen, als die Antwort über die übliche Frage „wie war‘s?“, und vielleicht einen Foto- und Erzählabend für Familie, Freunden und insbesondere meinen Förderkreis zu veranstalten. Wie ihr die Idee findet könnt ihr hier ja gerne kommentieren…

Zum anderen wurde ich aber auch zum Nachdenken angeregt, durch das erneute Thema Rassismus, das schon in der Vorbereitung auf dem Programm gestanden hatte. Meine Definition – und ich schätze so ist die Definition der meisten Menschen die sich mit diesem Thema nicht tiefer befasst haben – war die Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt gegenüber Anderen aufgrund deren Herkunft, Hautfarbe, Religion, etc. Fazit: Ich bin eindeutig kein Rassist und ich schätze du der das gerade hier liest wahrscheinlich auch nicht. Eine etwas komplexere, vollständigere  Definition von Rassismus, mit der wir uns auf dem Seminar beschäftigten geht jedoch viel weiter. Rassismus ist ein Abgrenzen zweier Gruppen durch Zuschreiben bestimmter (gegensätzlicher und gewerteter) Eigenschaften. Dabei wird jemand, den wir (ja wir, auch ich und du) in die als „anders“ betrachtete Gruppe einordnen, nicht als Individuum gesehen sondern als Element der Gruppe verallgemeinert. Außerdem schließen die Eigenschaften der beiden Gruppen einander gegenseitig aus. So kann ein Schwarzer/eine Schwarze nicht deutsch sein… Hast du noch nie Schwarzen/eine Schwarze gesehen und dich gefragt wo er/sie herkommt? Ich schon. Hättest du Stuttgart/Leipzig/Rödermark… als Antwort gelten lassen? Ups, rassistische Struktur in meinem eigenen Denken entdeckt. Und noch mehr davon gibt es im alltäglichen Sprachgebrauch: Was ist beispielsweise der Unterschied zwischen einem Einheimischen und einem Bürger? – die Assoziationen, die die Wörter hervorrufen. Beim Wort Einheimischer denke ich an Menschen, deren Verhalten und Traditionen ich nicht teile oder verstehe, die in primitiven Verhältnissen leben, vielleicht in einer Hütte, im ländlichen Raum. Ein Bürger, der hat Bürgerrechte. Seine Hütte nenne ich ein Haus und er wohnt in der Stadt. Er feiert Weihnachten, er isst mit Messer und Gabel. Das als Tradition zu beschreiben kommt mir nicht in den Sinn, ist doch ganz normal. Würde ich einen Weißen einen Einheimischen nennen? Nein, weil es nicht in das schwarz-weiß-Muster passt, das in unseren Köpfen existiert, auch wenn wir das vielleicht gar nicht wollen.

Ich muss zugeben mich macht diese Rassismusdiskussion immer total fertig. Wenn ich mich darauf einlasse, merke i ch, wie sehr auch mein Denken rassistisch geprägt ist. Kann das denn sein, wenn ich mich als toleranten, weltoffenen Menschen sehe?!? Abwehrmechanismen (Nö, ich bin nicht rassistisch!) setzen gleichzeitig ein mit dem Bedürfnis meinen ganzen Blog zu überarbeiten und den Rassismus auszumerzen. Wie Rassismus in meinem Blog? Der ist doch so schön authentisch! Nein, denn jeder Bericht ist subjektiv und geprägt vom persönlichen und kulturellen Hintergrund, also auch von rassistischen Denkmustern.  Und trotzdem habe ich oft von Mexiko gesprochen, als wäre ich eine Expertin, obwohl ich doch auch nur in begrenzter Zeit einen begrenzten Ausschnitt dieses Landes kennengelernt habe und das Land sowieso ganz anders wahrgenommen habe, als jemand der dort geboren wurde. Und wie oft habe ich Mexiko (oder den mir bekannten Teil davon) exotisiert, ihm positive Eigenschaften zugeschrieben, es scheinbar aufgewertet, doch gleichzeitig von dem was für mich „deutsch“ ist abgegrenzt, ein ganzes Land reduziert auf Spontanität, Wärme und ländliche Idylle?

Das sind nur einige Beispiele, die kurz Anreißen sollen, was wir auf dem Seminar an Material gelesen haben und welche Gedanken ich mir dazu gemacht habe. Ich bin auch unsicher, ob der Ansatz bzw. das Problem klar geworden ist . Ich freue mich aber über Nachfragen und Diskussionen zu dem Thema, gerne privat oder auch hier im Blog, denn ich will versuchen mich damit bewusster auseinanderzusetzen, anstatt mich darauf auszuruhen, von Rassismus nicht beeinträchtigt zu sein.

Das sollte jedoch nicht das einzige Thema sein, das mich an diesem Tag bewegte. Denn am Nachmittag hielt Mai, eine der Freiwilligen, einen Workshop zum Thema Welthunger beziehungsweise dessen strukturellen Ursachen ab. Es ging um Lebensmittelspekulationen an der Börse, die zu tatsächlich mörderischen Preisschwankungen führen, um europäische Agrarsubventionen, durch die diese Produkte außerhalb Europas günstiger also attraktiver werden als lokale Produkte und somit lokale Märkte zerstören. Es ging um die mit Krediten vom internationalen  Währungsfond verbundenden Verpflichtungen zum Öffnen des Marktes, von dem wiederum vor allem der globale Norden (weithin als Industrienationen bekannt) profitiert, aber auch um den steigenden Fleischkonsum, denn um 1kg Fleisch zu produzieren, braucht es etwa 16kg Getreide und noch viel mehr Wasser. Nahrungsmittel, die viel effektiver genutzt wären, würden sie direkt verzehrt. Hauptaussage der Präsentation: Hunger muss nicht sein. Die Rohstoffe auf der Erde reichen aus um die gesamte menschliche Bevölkerung zu ernähren. Das Problem liegt also in der Verteilung, in der der globale Norden zum eigenen Vorteil überproportionale Anteile abgreift.

Nach einem solchen Tag war dann abends erst einmal Abschalten angesagt. Das Seminar sollte wie immer mit einer Party beendet werden. Musik aus unserer Zeit in Mexiko versetzte mich zeitweise zurück nach dort.

Doch schon kam Tag 5 – Putztag! Und leider auch Abschiedstag. Ich hoffe allerdings, dass es bei vielen, vor allem der Mexiko-Truppe, nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass wir uns sehen, auch wenn der offizielle Teil des weltwärts-Programmes mit diesem Seminar abgeschlossen ist.

Und wie geht es mir danach? Wie geht es weiter mit der Entwicklungspolitik und mir? So ganz weiß ich das auch noch nicht. Während des Seminars habe ich mich gefühlt wie ein Schwamm, der alles an Informationen, Ansätzen und Ideen mitgenommen hat, das sich anbot, wie man vielleicht auch an diesem Blogeintrag merkt. Und jetzt? Jetzt bin ich doch noch nicht zu viel gekommen. Nun gut, ich habe meinen Fleischkonsum drastisch heruntergefahren, wer weiß vielleicht werde ich sogar demnächst komplett Vegetarierin. Weiter informiert zum Thema Welthunger oder Rassismus habe ich mich (noch) nicht, und am Seminar, zur Ausbildung zum weltwärts-Seminarleiter habe ich mich aus Zeitgründen auch nicht angemeldet, das möchte ich aber bei der nächsten Gelegenheit nachholen. Bei der Regionalgruppe, von der ich, wie hier im Eintrag berichtet, auf dem Seminar erfahren hatte, habe ich mich gemeldet. Die „Gruppe“ besteht derzeit allerdings nur aus einem Mitglied, da die anderen weggezogen sind. Aber wer weiß vielleicht entwickelt sich daraus ja doch noch etwas.  (Wenn ja steht‘s hier zuerst!) Und dann bleibt da ja noch die Idee, einen Bilder- und Erzählabend zu veranstalten… ich bleibe dran. Genauso wie an Mexiko. Mit meinen Gastfamilien und Freunden stehe immer noch in Kontakt und ich freue mich auf den Tag an dem es mich erneut nach Michoacán verschlägt.

Mittwoch, 25. September 2013

Auf dem Weg zum Nachbereitungsseminar

Ich sitze in der Bahn auf dem Weg zum Nachbereitungsseminar. Mein Koffer ist schon fast zu leicht. Entweder habe ich etwas vergessen oder Mexiko hat mir nachhaltig das effektive Packen beigebracht. Ich hoffe auf letzteres. An mir vorbei zieht Das neblige Deutschland: Friedlich und hübsch.

Es ist schön wieder zuhause zu sein. Aber auch Mexiko ist mein Zuhause geworden und dort nicht zu sein ist entsprechend nicht so schön.

Bis hierhin noch alles verständlich, aber der Grund warum ich mich so aufs Seminar freue, ist, einmal der Macht des Alltags, der mich schon wieder so fest im Griff hat,  zu entfliehen, und mir Zeit zu nehmen, das zu verarbeiten, was in mir nebenbei noch vor sich geht. Gemeinsam mit den anderen Rückkehrern, denen es wohl so ähnlich geht. Platz zu haben für Gedanken, die in meinem neuen alten Alltag eben keinen Platz oder kein Publikum finden.

Ich weiß nicht ob das hier überhaupt noch jemand liest jetzt da ich wieder da bin und das ist auch nicht entscheidend. Entscheidend ist,  dass ich weiß, dass die Reise für mich noch lange nicht zu Ende ist.

Freitag, 23. August 2013

Zurück in Deutschland

Tja, da bin ich wieder. Wer mich gerne persönlich wieder sehen möchte darf sich freuen (oder hat das vielleicht sogar schon getan) und wer immer so gerne meinen Blog gelesen hat braucht auch nicht traurig sein, denn den einen oder anderen Eintrag habe ich noch auf Lager.

Dieser hier soll ein wenig darüber Aufschluss geben wie ich mich wieder eingelebt habe und was sich geändert hat (oder auch nicht). Dann muss ich demnächst natürlich noch über den Mexiko-Urlaub mit meinen Eltern schreiben und auch das Nachbereitungsseminar Ende September könnte einen Eintrag wert werden. Vielleicht ergibt sich ja auch spontan noch die ein oder andere erzählenswerte Anekdote...

Teil 1: Kein Willkommen ohne Abschied

Von den meisten meiner Freunde hatte ich mich schon vor den Urlaubstagen mit meinen Eltern verabschiedet. Das war nicht leicht, doch durch den bevorstehenden Urlaub mit meinen Eltern hatte ich auch etwas worauf ich mich freuen konnte und musste mich nicht gleichzeitig von Land und Leuten verabschieden. Zwei Freunde begleiteten mich aber auch noch an meinem allerletzten Tag und bis an den Flughafen, was mich sehr freute und mir etwas die Depression nahm, die die Aufbruchsstimmung am Flughafen in mir auslöste. Andererseits wurde der Abschied, der diesmal so endgültig schien aber umso trauriger und tränenreicher. Es fiel mir unglaublich schwer, einfach den Rücken zu kehren und durch die Gepäckkontrolle zu gehen, wenn ich doch  nicht weiß wann und ob ich zurückkehren werde. Auf dem Flug selbst war ich zum Glück ausgeglichener, was wohl daran lag, dass ich immer nur zum Essen wach war. Die Stunden vergingen im wahrsten Sinne des Wortes im Fluge.

Umsteigen in London war kein Problem und auch in Frankfurt ging ich zielstrebig zur Gepäckausgabe und schließlich durch das grüne Zoll-Türchen. Draußen erwarteten mich meine Eltern und tatatadaaaaaa: Toni und Sandra :) Wir fuhren nach Hause und nach und nach wurde alles um mich herum immer bekannter und vertrauter, bis ich schließlich wieder in meinem alten Zimmer stand.

Teil 2: Alles an seinem Platz

Ein Abendessen bei Renate und Willy, vorbeischauen beim Orchester, Eis-Essen, Kneipentour, Bowling, Grillen, Döner essen, Brownies backen, Geburtstage feiern... ich würde sagen sozial (und kulinarisch) war ich sofort wieder top integriert. Und stets war es als ob ich nie weg gewesen wäre (nur mit mehr Gesprächsstoff). Die Traurigkeit angesichts des Abschieds von Mexiko hatte der Freude über das Wiedersehen mit meinen deutschen Freunden Platz gemacht. Ich fühle mich ein bisschen wie ein Puzzlestück, das an seinen Platz zurück gekehrt ist. Alles rundherum passt (immernoch), ist vertraut und beständig und es ist so leicht, sich zurechtzufinden.

Das soll jedoch keinenfalls heißen, dass es mir hier besser geht als in Mexiko. Ich habe mir dort ein gutes soziales Netz aufgebaut, habe auch meine Umgebung sehr gut kennengelernt, war absolut glücklich damit und bin es immer noch. (Ich mag diese Vergangenheitsformen im Gespräch über Mexiko nicht.) Ich habe jedoch erst jetzt bei der Rückkehr feststellen und wertschätzen können, wie verwurzelt ich in meiner Heimatstadt bin.

Teil 3: "Also in Mexiko..."

Also alles wie früher? Nein, das auch nicht. Am Anfang, als mir alles exakt so vor kam wie vor Mexiko habe ich mich tatsächlich gefragt welchen Platz Mexiko jetzt überhaupt in meinem neuen alten Leben einnehmen würde. Doch über die Tage haben sich da sehr viele Nischen aufgetan in denen Erinnerungen und Freundschaften regelmäßig aufleben:

1. Facebook ab 23.00 Uhr abends:
Sieben Stunden Zeitverschiebung machen es möglich die ganze Nacht todmüde (oder auch nicht dank Jetlag) mit putzmunteren mexikanischen Freunden zu chatten! :)

2. Erinnerungsstücke:
Eine Flasche Tequila im Regal, einen kleinen, bunt bemalten Keramik-Totenkopf auf dem Lautsprecher, ein Glas mit übrigem mexikanischem Geld in dem ich jetzt auf die Rückreise sparen werde und ein Schwarm Monarchfalter-Magnete an meiner Pinnwand... immer wenn der Blick darauf verweilt, schweifen die Gedanken zurück nach Mexiko.

3. Handel und Vermarktung weltweit:
Eine Chili-Soße wirbt mit "entdecken Sie den Mexikaner in sich". Ich lächele nur, denn ich schätze ich weiß etwas mehr von Mexiko als der Schöpfer des Slogans und der Soßenhersteller gemeinsam. (Es sei denn es handelt sich um den deutschen Vertrieb der einzig wahren fertig-Chili-Soßen Salsa Valentina oder Salsa Don Vasco.)
Ich kaufe Limetten: Herkunftsland Mexiko.
In einer Bar bestellt jemand ein Corona-Bier. Ich denke noch "Mensch die haben ja mehr Ahnung hier als ich dachte" als das Bier mit Zitrone serviert wird, verwerfe den Gedanken jedoch wieder als die Zitrone von allen einstimmig in den Flaschenhals hinein gedrückt wird anstatt sie ordentlich darüber auszudrücken und noch etwas Salz hinterher zu streuen.

4. Gespräche:
Meine neue Lieblingsphrase: "Also in Mexiko...
Ich hoffe meinen Gesprächspartnern wird dabei nicht langweilig. Ich könnte stundenlang über Mexiko erzählen und versuche auch absolut jeden Lebensaspekt fundiert zu vergleichen.

Teil 4: Und wo bleibt der Kulturschock?

Alles in allem habe ich jedoch das Gefühl, dass die Veränderungen oder die Entwicklung die ich erfahren habe in einem sehr privaten Teil meiner Persönlichkeit passiert sind. Das ist gut, denn so bin ich immer noch die alte, und verhalte mich allen gegenüber genauso wie vorher. Nur in mir drin scheinen manchmal viel vielschichtigere Denkprozesse angestoßen zu werden.

Da kommen dann manchmal so kleine Zweifel auf, zum Beispiel wenn ich mir unsere Wohnung ansehe, und mir auffällt, wie viel hier herum steht, von Möbeln über Geschirr bis Deko. Dann frage ich mich, ob ich mit unserem Coca-Cola Tisch und zugehörigen Coca-Cola Stühlen nicht genauso glücklich war. Andere Fragen kommen auf, wenn ich Fremden begegne. Werde ich mit ihnen jemals in ein so ungezwungenes kurzes Gespräch verwickelt werden wie es mir in Mexiko dauernd passiert?.. . passierte... ach an dieses Reden von Mexiko in der Vergangenheitsform habe ich mich noch nicht gewöhnt.

Freitag, 9. August 2013

Spendenaufruf

Liebe Blogleser,

meine Zeit in Mexiko neigt sich dem Ende zu. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere daran, wie ich mich vor der Ausreise um Spenden für das "weltwärts"-Programm bemühte. Dies will ich heute noch einmal tun, denn die Zielsumme ist noch nicht ganz erreicht. Da es damals einiges an Unverständnis und Verwirrung in diesem Zusammenhang gab, möchte ich meinen Spendenaufruf diesmal als eine Art FAQ aufbauen (auch wenn mir die Fragen so direkt nicht alle gestellt wurden). Bitte nehmt euch die Zeit ihn durchzulesen.

Warum bitte ich um Spenden für einen "Abenteuer-Urlaub"?
Die Bezeichnung Abenteuer ist durchaus angemessen dafür, ein fremdes Land ein Jahr lang so intensiv kennenzulernen wie ich es durfte - sowohl auf meinen Reisen, als aber vor allem auch im alltäglichen Leben.
Urlaub hingegen ist nur ein Teil meines Freiwilligendienstes und zwar der Teil, der nicht von den Spenden, sondern meinem eigenen Geld, sprich Erspartem, Freiwilligen-Taschengeld von 100 Euro pro Monat sowie Taschengeld seitens meiner Eltern bezahlt wird.

Wofür ist das Geld dann?
Das Geld geht direkt an meine Entsendeorganisation ijgd - internationale Jugendgemeinschaftsdienste. Wie man dem Namen entnehmen kann, engagiert sich diese Nicht-Regierungsorganisation im internationalen Austausch von Jugendlichen zur Förderung der internationalen Verständigung. Im allgemeinen wird durch eine Spende also eben dieses Vorhaben gefördert. Im speziellen sollen die Spenden die Kosten für meine Entsendung im Rahmen des "weltwärts"-Programmes decken.

Wie funktioniert das "weltwärts"-Programm?
"weltwärts" ist eine Initiative des Bundesministeriums für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst versteht sich jedoch nicht als Entwicklungshilfe sondern als Lerndienst. Deshalb werden in diesem Programm bewusst Jugendliche entsendet und keine ausgebildeten Entwicklungshelfer.
Durchgeführt wird das Programm von verschiedensten durch das BMZ anerkannten Nicht-Regierungsorganisationen wie beispielsweise ijgd. Die finanziellen Mittel kommen dabei zu 75% aus dem Budget des BMZ und zu 25% aus dem der Entsendeorganisation. Da diese sich in der Regel durch Spenden finanzieren, sind die Freiwilligen dazu aufgefordert um eben diese zu bitten.

Jetzt mal konkret, von wieviel Geld sprechen wir hier eigentlich?
Die gewünschte Spendensumme beträgt 150 Euro pro Monat also 1650 Euro für die Gesamtzeit von 11 Monaten. Vielen Dank an dieser Stelle an meine Eltern, an weitere Verwandte, und Freunde und für die Unterstützung des Bistro-Teams. Mit eurer Hilfe sind bereits über 1500 Euro zusammengekommen. Jetzt fehlen noch exakt 117,42 Euro. Wenn also der eine oder andere Blogleser 5-10 Euro spendet, dürfte das erreicht werden.

Aber,... warum zahlen das nicht einfach deine Eltern?
Genau das haben die mich auch gefragt. Ich habe das Glück Eltern zu haben, die mich nicht nur unterstützen wollen, sondern das auch finanziell können. Sinn dieser Art der Finanzierung, des Aufbaus eines Förderkreises, der den Freiwilligen oder die Freiwillige durch Spenden unterstützt ist aber, dass die Entsendung unabhängig von deren finanziellen Mitteln ist. Gleichzeitig ist die Spenden-Akquise willkommene Öffentlichkeitsarbeit für das "weltwärts"-Programm.

Und warum sollen wir jetzt noch spenden? Du bist doch schon fast wieder zurück, ist doch scheinbar schon alles bezahlt!
Wie bereits angedeutet sind wir nicht verpflichtet sondern aufgefordert die Spenden einzubringen. Sie dienen dazu, dass das "weltwärts"-Programm kein Verlustgeschäft für ijgd ist sondern sich selbst finanziert. Ansonsten wird es nicht fortgeführt werden können. Das Geld sollte also in Solidarität mit den nächsten "weltwärts"-Generationen aufgebracht werden.
Außerden sehe ich den derzeitigen Zeitpunkt als günstig, da ich hoffe, dass meine Berichte auf meinem Blog etwas die Skepsis am Programm und somit auch an einer Spende genommen haben.

Die Skepsis genommen? Ne ich glaube da musst du nochmal nacharbeiten Dani... 
Alles klar! Freiwilligendienst - das klingt erst einmal nach einer Menge Arbeit für wenig Geld. Auch ich habe gedacht, dass ich mehr Arbeit haben würde und habe deshalb auch selbst einige Male den Sinn des Programmes hinterfragt. Im Endeffekt ist aber genau das eingetreten, was uns Freiwilligen schon auf den Vorbereitungsseminaren gesagt wurde. Dass diejenigen, die am meisten von unserem Freiwilligendienst profitieren, wir selbst sein werden. "weltwärts" versteht sich nicht als Entwicklungshilfe sondern als Lerndienst. Und, dass ich in diesem Jahr unglaublich viel gelernt habe - über Mexiko, seine Geschichte, Geographie, Politik, Kultur, Probleme, und Schätze, über den Alltag der Menschen, über mich und meine Erziehung, über den Umgang mit verschiedenen Kulturen und Werten, über Kommunikation in einer Fremdsprache, die mir mittlerweile ganz leicht über die Lippen kommt - und mich dadurch weiterentwickelt habe, das habe ich nicht einen Tag lang bezweifelt. Horizont erweitert? Check!
Es ist uns nicht möglich groß etwas zu verändern, wohl aber im Kleinen Anstöße zu geben: Nehmen wir zuerst meine Arbeit: Ein paar Schüler in Huecorio sprechen etwas besser Englisch, andere nutzen die Gitarrengruppe, die sich in unserer Anwesenheit gegründet hat. Vier Menschen in Morelia sprechen dank mir besser oder überhaupt Deutsch. Viel wichtiger als die Arbeit, da viel umfangreicher, ist aber eigentlich meine Freizeit. Denn all die Eindrücke, die ich das Jahr über bei Freunden und Bekannten hinterlassen habe, habe ich nicht nur als ich, als Daniela Beckmann hinterlassen, sondern auch als Repräsentantin Deutschlands. Ich habe hier und da ein wenig oder aber auch eine Menge über Deutschland erzählt, über Kultur, über Geld, über Wetter, über Nationalsozialismus. Auch wenn der Eindruck den Mexiko auf mich gemacht hat größer ist; auch ich werde einen Eindruck hinterlassen. Gleichzeitig habe ich mich in meinem Blog bemüht euch Mexiko näher zu bringen, quasi mit Insider-Information statt Vorurteilen. Internationaler Austausch und Verständigung? Check!
Ein dritter Punkt ist, dass die Arbeit der Freiwilligen mit ihrer Rückkehr nicht beendet ist. Wir sollen auch weiter als Multiplikatoren dienen und unsere Erfahrungen teilen und einbringen.

Also gut, und wie funktioniert das jetzt mit der Spende?
Das ist leider etwas kompliziert, da sehr ofiziell und formell. So brauche ich von jedem Spender eine Unterschrift in einer Förderkreisliste. Außerdem haben sich seit meiner Ausreise ein paar formelle Details geändert. So ist die Förderkreisliste anders aufgebaut (die aktuelle Version findet ihr natürlich auf meinem Blog unter „Förderkreis / Spenden“), Spenden dürfen nicht mehr von mir gesammelt werden sondern müssen direkt auf das ijgd-Konto eingehen und auch der anzugebene Verwendungszweck hat sich geändert (ebenfalls unter dem Link zu finden).

Ne also ehrlich gesagt habe ich das immer noch nicht verstanden, Was tun?
Alle Informationen finden sich noch einmal ausführlich und top aktualisiert unter „Förderkreis / Spenden“. Sollte trotzdem etwas unklar bleiben, wendet euch doch einfach per Mail an mich: daniela_beckmann@arcor.de.

Vielen Dank für eure Unterstützung,

eure Daniela

Donnerstag, 1. August 2013

Chiles en Nogada und ein Ausflug nach Tlaxcala

Vielleicht erinnert sich jemand noch an das freundlich Ehepaar, bei dem wir im Januar in Puebla für eine Nacht untergekommen waren. Ich habe sie jedenfalls nicht vergessen und am letzten Wochenende gemeinsam mit Xenia zum poblanisch Essen besucht. Typisch für Puebla, äußerst aufwendig und noch dazu ein absolutes Saison-Essen sind Chiles en Nogada:


Eine Chilischote (von den großen, die gar nicht scharf sind) gefüllt mit allerhand Obst und ein wenig Fleisch, darüber eine Soße aus Milch, Nüssen und wer weiß was noch alles. Mit der Zubereitung beginnt man am besten vier Tage vorher. Ich muss allerdings sagen mir war das ganze deutlich zu reichhaltig. Der Geschmack ist außergewöhnlich, aber ich habe dennoch nur halb aufessen können.

Am nächsten Tag boten sich unsere Gastgeber als Touristenführer an und fuhren mit uns in den benachbarten Bundesstaat Tlaxcala.

Dort besichtigten wir zunächst eine archäologische Stätte, die vor allem durch ihre Wandmalereien beeindruckt:



Weiter ging es in die gleichnamige Stadt Tlaxcala. Ein kleinen gemütliches Städtchen mit einer netten Plaza...



... einem Palacio voller Wandmalereien...



... und einem ehemaligen Konvent zu dem wir später noch liefen:


Am späten Nachmittag fuhren wir dann jedoch schon zurück nach Mexiko Stadt um dort einen letzten Abend zu verbringen bevor Xenia am nächsten Tag nach Hause nach Deutschland fliegen würde, während ich für die letzten zwei Wochen nach Morelia zurück führe.

Das einzig gute daran, dass es auch für mich schon fast nach Hause nach Deutschland geht, ist, dass in etwa vier Stunden meine Eltern hier in Morelia eintrudeln um die letzten Wochen mit mir zu verbringen! :)

Donnerstag, 25. Juli 2013

Sonne, Strand und Meeresschildkröten

Colola ist der Name eines kleinen Dörfchens an der Küste Michoacans, inklusive 4km Pazifikstrand. Das besondere: Eben dieser Strand dient drei Arten vom Aussterben bedrohter Meeresschildkröten als Brutstätte. Meeresschildkröten kehren zum Eier legen immer nur an ihren Geburtsstrand zurück. Colola ist somit vor allem Heimatstrand der schwarzen Meeresschildkröte, denn etwa 80% der Vertreterinnen dieser Art gehen hier zur Eiablage an Land.

Die Einwohner des Indigenen-Dorfes Colola haben sich zur Aufgabe gemacht diese zu schützen. Unterstützt werden sie dabei von nationalen und internationalen Freiwilligen, die über meine mexikanische Austauschorganisation "Vive México" im Rahmen von zwei-wöchigen Work Camps entsendet werden. Dazu sind natürlich auch wir "weltwärts"-Freiwillige herzlich eingeladen.

Ich selbst habe an keinem Work Camp teilgenommen, anders Xenia, die ich dann begleitete um dem Camp einen erneuten Besuch abzustatten. (Ich glaube ich muss Xenia an dieser Stelle nicht noch einmal vorstellen, schließlich handelt jeder zweite Artikel davon wie wir auf Vulkane oder Pyramiden klettern, in Hängematten oder am Strand liegen... An dieser Stelle liebe Grüße an ihre Freunde, die angeblich mittlerweile meinen Blog lesen, damit Xenia nicht so viel schreiben muss ;)

Mein erster Eindruck von Colola: Ich weiß jetzt was den Reiseführer-Schreiber inspiriert hat die Küste Michoacáns als "Küstenkönigreich hinter den Bergen" zu beschreiben. Die Gegend ist touristisch nahezu unerschlossen - keine Hotelblocks, stattdessen Natur pur. Und so setzte ich mich in den Sand, beobachtete Wellen und Sonnenuntergang und war viel zu gebannt um zur Schlafhütte zurückzukehren und die Kamera zu holen. Das wäre ihr auch möglicherweise nicht gut bekommen, denn aus "ich geh nur mal kurz mit den Füßen ins Wasser" machte eine freundliche Pazifikwelle nahezu eine Ganzkörperdusche.

So müsst ihr euch jetzt mit ein paar Fotos vom nächsten Tag begnügen:

Der Strand. Merke: Pazifik ist nicht gleich Mittelmeer. Die Wellen sind zwar schön anzusehen,
aber dank ihnen und der starken Strömungen ist schwimmen an diesem Strand verboten.
Schildkröten in Sicht!
Die Arbeit der Work Camp Teilnehmer beginnt erst nachts. Gemeinsam mit den ortsansässigen Freiwilligen gehen sie den Strand ab und dokumentieren wie viele Schildkröten an Land gehen. Außerdem sammeln sie Eier ein, wenn sie diese unverbuddelt finden, um ihnen in künstlichen Nestern eine zweite Chance zu geben.

Ich fand es beeindruckend die riesigen Schildkröten (ca. 1-1,5m Länge) tatsächlich von ganz Nahem an Land sehen zu können. Ganz langsam kommen sie voran, sich immer wieder mit den Flossen nach vorne ziehend und buddeln schließlich ebenfalls recht gemächlich ein Loch, in das sie ihre Eier legen (um die 100 Stück) und das sie schließlich wieder verschließen. Fotos habe ich blöderweise wieder nicht gemacht, doch es hilft das Internet:

Seltsam allerdings, dass diese Schildkröte tagsüber unterwegs ist.
Die Spuren die sie hinterlässt sehen übrigens aus wie Reifenspuren!
Am nächsten Morgen standen wir gemütlich erst gegen 11 Uhr auf und machten uns später auf den Weg zum Strand. Nein falsch, am Strand waren wir ja schon (ich hatte draußen bei Meeresrauschen in der Hängematte geschlafen), aber wir machten uns auf zu einem Strand an dem man auch schwimmen konnte:


Äußerst gemächlich verging der Tag, "stressig" wurde erst die Nachtschicht: An diesem Abend wollten wir helfen Nester für die gefundenen Eier zu buddeln. Etwa 20 wurden es im Laufe von etwa 3 Stunden die wir gruben, unten verbreiterten, behutsam die Eier hineinlegten und sie anschließend mit der gleichen nassen Erde zudeckten und markierten. Wenn die Eier vor dem Eingraben nicht zu sehr ausgekühlt sind, schlüpfen 45 Tage später kleine Schildkrötenbabies. Entsprechend werde ich etwa am 31.08. Schildkröten-Adotptivmama.. oder so ähnlich.

Schildkröteneier bereit zum Verbuddeln
An diesem Abend lernten wir auch die Work Camp Teilnehmer, Mexikaner und Mexikanerinnen, Südkoreanerinnen, eine Tschechin, ein Italiener, eine Kanadierin und deutsche Mitfreiwillige, besser kennen. Eine wirklich lustige Truppe. Ich hätte mich vielleicht doch einmal zum Work Camp anmelden sollen anstatt nur zu Besuch vorbeizufahren.

Den nächsten Tag, der gleichzeitig unser letzter war, wollten wir nutzen nach Maruata zu fahren, wo es einen noch schöneren Strand zum Baden geben sollte. Erstes Problem: Dort hinkommen! Dafür heißt es an die menschenleere Straße stellen und auf einen Bus warten. Wir warteten über eine Stunde. Soviel zum Thema touristisch unerschlossen:


Alle Strapazen waren jedoch bei diesem Anblick vergessen:



Und hatte man einmal die Stelle überwunden an dem die Wellen recht unrücksichtsvoll brechen, konnte man sich gemütlich im Wasser treiben lassen.
Zum Abschluss ein leckeres Essen:


... und dann ganz schnell ins Camp, denn wir hatten tatsächlich einen Busfahrplan gefunden, laut dem wir genau eine Stunde hatten zwischen Ankunft im Camp und nächster Abfahrt des Busses. Eine Stunde, in der wir packen, duschen und uns verabschieden wollten.

Da wir aber dennoch nicht sicher waren wie zuverlässig dieser Busplan war, versuchten wir uns ebenfalls als Anhalter. Und siehe da, letztendlich fuhren wir gute zwei Stunden auf einer Ladefläche zwischen Kokosnüssen nach Tecomán um dort einen Bus nach Morelia zu nehmen:


Dies war wieder einer dieser Mexiko-Momente, etwas was dir in Deutschland nicht passiert, einer dieser Momente in denen ich Mexiko liebe (noch mehr als sonst sowieso) und was vielleicht niemand nachvollziehen kann, der nicht selbst schon einmal eine Zeit lang hier war. Gekrönt wurde das ganze dann von Gurke mit Salz, Limette und Chili vom Straßenstand und hier nochmal die Frage: Wann erlebst du diese Situation jemals wieder? Und ja haltet mich für verrückt aber wir konnten nicht anders als glücklich sein mit Wind und Haaren im Gesicht, eine Tüte frische Gurke teilend und die Regenzeit-grüne Landschaft bewundernd...

Dienstag, 2. Juli 2013

Im Land des reichsten Manns der Welt

... sprich in Mexiko!

Carlos Slim Helú, 1940 als Sohn libanesischer Einwanderer in Mexiko Stadt geboren, verfügt über ein Vermögen von 73 Milliarden Dollar, mit dem auch Bill Gates nicht mehr mithalten kann. Zu verdanken hat er seinen Reichtum vor allem Aufkauf und Sanierung maroder Firmen in der mexikanischen Wirtschaftskrise 1982. Entscheidender Schachzug war jedoch der Kauf der ehemals staatlichen Telefongesellschaft Telmex, als diese 1990 privatisiert wurde. Gleichzeitig besitzt er mit América Movil den größten Mobilfunknetzbetreiber Lateinamerikas. Markenname in Mexiko: Telcel.

Natürlich ist eine solche Person nicht unumstritten. So soll er vor allem politischen Einfluss spielen lassen haben um die monopolartige Marktposition von Telmex zu sichern. Mit der Investition in den Mobilfunk hat er quasi die gesamte Telekommunikation in der Hand und kann entsprechend überhöhte Preise ansetzen. Beispiel Telcel: Es gibt durchaus andere Mobilfunkanbieter. Das gesamte Netz, sprich die Masten, gehören dennoch Telcel. Andere Anbieter sind somit deutlich weniger wettbewerbsfähig und so habe auch ich in meinem Handy einen Telcel-Chip und stecke Carlos Slim Helú so wie alle Mexikaner täglich noch ein paar Pesos mehr in die Tasche.

Ein so reicher Mann also in einem so "armen" Land? Ich weiß nicht, mir gefällt die Bezeichnung "arm" nicht. Es gibt keine "armen" Länder. Es gibt ausgebeutete Länder und Länder mit extremer sozialer Ungleichheit aber "arme" Länder? Eher nicht...

Mit seinem Bruttoinlandsprodukt landet Mexiko auf Platz 14 weltweit. Das hört sich eigentlich ganz schön (wirtschafts-)mächtig an. Auf pro Kopf Einkommen runtergerechnet sieht es dann schon etwas bescheidener aus, aber das eigentliche Problem ist, dass dieses scheinbare Durchschnittseinkommen, von dem man meinen sollte, es solle der Mittelschicht entsprechen kaum vertreten ist. Denn eine Mittelschicht ist nahezu inexistent. Der Großteil der Bevölkerung verdient deutlich weniger und ein kleiner Anteil umso mehr.
Geld ist da, aber es ist schlecht verteilt.

Sonntag, 23. Juni 2013

Ich stelle vor: Mein Zimmer


Unschwer zu erkennen an:
1. Meinem Laptop in den ich mittlerweile wieder fleißiger Blogeinträge tippe.
2. Den Überresten eine Mango - von denen habe ich immer noch nicht genug.
3. Notenständer, um fleißig zu üben :)
4. Leider nicht so gut erkennen Familienfoto da hinten auf dem Schoß vom pinken Kusceltier in der Ecke.

Alle Wege führen in die USA

Die einzige direkte Staatsgrenze zwischen einem "Industrieland" und einem "Entwicklungsland": Die häufig verwendeten jedoch politisch nicht mehr ganz korrekten Begriffe "1. Welt" und "3. Welt" scheinen schon zu implizieren, dass eigentlich eine ganze Welt dazwischen liegt. (Das "Fehlen" der "2. Welt" liegt tatsächlich aber daran, dass dieser Ausdruck ursprünglich den kommunistischen Block beschreibt, der heute als solcher nicht mehr existiert.)

Die einzige solche Grenze also - und was für eine:  3.150km Sicherheitszaun, Grenzfluss und Wüste, illegal über- unter- oder durchquert von jährlich hunderttausenden oder doch millionen Menschen (darunter nicht nur Mexikaner, sondern etwa auch Menschen aus Guatemala, El Salvador oder Honduras), und 20 Grenzübergänge, die für jene Mexikaner offen stehen, die das Glück haben legal einreisen zu dürfen.

Während die USA Milliarden für die Grenzsicherung ausgeben, sind die Überweisungen mexikanischer Migranten an ihre Familien zuhause nach Erdöl die zweitwichtigste Einnahmequelle Mexikos. Klingt als seien die USA die Leidtragenden der geographischen Begebenheit. Das stimmt so allerdings auch nicht, denn dank des nordamerikanischen Freihandelsabkommens zwischen Kanada, den USA und Mexiko, abgekürzt NAFTA für North American Free Trade Agreement, haben US-amerikanische Firmen Mexiko einerseits als billiges Produktionsland für sich entdeckt - "maquiladores", Fertigungsfabriken, säumen die mexikanische Seite der Grenze - als auch als wertvollen Absatzmarkt. Und so zahlen die Mexikaner mit jeder Coca-Cola, die sie trinken (und ich erinnere daran, dass bei meiner alten Gastfamilie zu jedem Mittagessen die 2,5l Flasche auf dem Tisch stand) doch wieder an die USA zurück.

Zurück aber zur Migration: Dieses Thema wurde in der Schule immer gut diskutiert. Im Spanisch Unterricht, wenn es gerade um Mexiko ging und noch einmal mehr im Englisch Leistungskurs, dessen Schwerpunkt deutlich auf Integration und Multikulturalismus lag. Damals, auf der anderen Seite des Atlantiks, hatten wir zwar unzählige Stichpunkte parat, Beispiele für gute Immigration und kulturelle Bereicherung, Beispiele für die Bildung von Enklaven und und und, trotzdem war das eigentliche Problem unendlich weit weg. Jetzt, immer noch in sicheren 1000 km Entfernung von der Grenze, findet das ganze jedoch um mich herum statt:

Meine Gastfamilie (aus Huecorio) erzählt mir von ihren Kindern in den USA, von den Enkeln die so fließend diese unbekannte Sprache sprechen. Ich grüße sie per Videoanruf.
Mal ist meine Gastmutter stolz zu berichten, dann wieder den Tränen nahe wegen der Trennung von ihren geliebten Kindern.
Ein Paket kommt an, voller getragener amerikanischer Kleidung, die meine Familie dann hier verkauft.
Männer die einmal in den USA waren, jetzt aber wieder im Dorf leben versuchen bei mir mit ihren Englisch-Kenntnissen zu prahlen. (vergeblich)
Man erzählt mir warum im Dorf so viele Häuser leerstehen und verfallen: Die Besitzer sind in den USA und interessieren sich nicht mehr dafür.
Der Cousin meiner neuen Gastfamilie in Morelia, aufgewachsen in den USA, kommt vorbei und spricht Spanisch mit noch mehr Akzent als ich.
...

So habe ich auch meine Stichpunkte aus dem Englisch Leistungskurs etwas überdenken können: Es ist eben nicht immer der große "American Dream", vom Tellerwäscher zum Millionär, einzig durch harte Arbeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das ist viel zu ideologisch, viel zu weit in die Zukunft gedacht und damit viel zu weit weg von der Realität der Menschen. Den Eindruck, den ich vom Leben und den Menschen hier habe, ist vielmehr, dass sie von Moment zu Moment, Tag zu Tag, Jahr zu Jahr leben - nehmen was kommt, keine großen Pläne machen, die dann doch wieder überworfen werden würden. Das Leben ist hier spontaner und dadurch gleichzeitig einfacher und komplexer. Komplexer weil die willkürlichen Faktoren Korruption und organisiertes Verbrechen mitspielen oder weil im Krankheitsfall eines Verwandten die ganze Familie der Versicherer ist, nicht der Staat, und einfach mal ihr ganzes Erspartes abgibt. Aber auch einfacher, weil der Umgang damit erfordert spontan und flexibel zu sein und keines Planes bedarf. Das ist meine Interpretation. Vielleicht ist sie völliger Schwachsinn, aber so ist mein Eindruck.

Ein "American Dream" passt in das beschriebene Bild also wenig. Klar, es geht um Geld; selbst ungelernt, verdient es sich in den USA besser als hier. Und bei 0 Tagen gesetzlichem Urlaubsanspruch im ersten Jahr, 6 die darauffolgenden nach ein paar Jahren schließlich 12 wohlgemerkt bei Arbeit von Montag bis Samstag, naja da kann einen auch illegale Arbeit ohne Vertrag und ganz ohne Ansprüche nicht mehr groß schocken. Es geht also um Geld, aber der eigentlich "American Dream" beinhaltet vor allem Aufstieg. Zumindest illegale Einwanderer aber bleiben zumeist ungelernte billige (Saison-)Arbeiter. Und das wissen sie auch. Doch wenn sie dann mit ihrem neuen Auto nach Mexiko zurückkehren und mit ihren Freunden und einem Sixpack Bier über die Schotterstraßen ihres Ranchos fahren sind sie dennoch Helden und inspirieren die Jüngeren es ihnen nachzutun.

Ach ja: notiere neben Geld zwei weitere Gründe oder zumindest Auslöser sich letztlich für die Ausreise zu entscheiden: 1. Ganz banal: Liebeskummer. 2. Flucht vor den Fängen der Drogenmafia... klingt mehr nach Amerikanischem Alptraum.

Und warum dieser Artikel genau jetzt?
Vor ein paar Wochen hat meine Gastschwester Alejandra die Ausreise gewagt - illegal. Das hat bei mir erstmal Schreckensbilder hervorgerufen. Ich sah sie im Rio Grande ertrinken, von Hunden gejagt durch ein Loch im Stacheldraht kriechen und in der Wüste verdursten. 500 Mexikaner sterben jährlich beim Versuch der illegalen Grenzüberquerung. Doch glücklicherweise entsprach nichts von alledem der Realität. Ich weiß nicht viel von ihrer Ausreise, nur dass sie zufällig über eine Freundin einen "Koyoten", einen Schleuser, kennenlernte, ihm eine Summe zahlte an die ich mich nicht mehr erinnere, aber die mir die Sprache verschlug und wohl den Rio Grande auf einem Boot überquerte. Klingt einfach, wären sie aber geschnappt worden wäre an Land eine ziemlicher Sprint gen Freiheit oder aber Abschiebung gefolgt. Jetzt ist sie bei ihrer Schwester in Los Angeles.

Und auch mein Gastbruder Chapis steht in den Startlöchern. Er hatte allerdings keinen Schleuser kennengelernt, sondern jemanden der Kontakt zu den offiziellen Behörden hat und ihm daher legale Papiere beschaffen kann. Diese sind gerade in Arbeit.

Und meine Familie? Nun die versucht sich in Optimismus, doch Traurigkeit und Sorge sitzen tiefer. Drei Kinder sind schon in den USA. Bald werden es fünf von sieben sein.
Die Arbeit in den USA mag wirtschaftlich lohnenswert sein, doch sie zerreißt Familien.

Freitag, 14. Juni 2013

Von Bolero über Caminos de Michoacán bis Fluch der Karibik

... so könnte man das Programm des Konzertes beschreiben, das wir am letzten Samstag gegeben haben, und das nebenbei das wohl beste Konzert war, das ich mit diesem Orchester gespielt habe und wohl auch jemals spielen werde, denn leider steht nur noch ein kleiner Auftritt an, bevor es in wenigen Tagen in die Ferien geht, die auch leider nicht mehr aufhören werden, bis ich schon zurück in Deutschland bin. Das ist wirklich schade, denn das Orchester und seine Musiker sind längst essentieller Bestandteil meines Alltags geworden.



Zurück aber zum Programm. Los ging es mit Bolero, was weiter kein großes Problem gewesen wäre, hätte der andere Klarinettist nicht zwei Tage vorher entschieden mir eines seiner Solos zu überlassen. Zum Glück hatten wir am Freitag, also einen Tag zuvor schon ein weniger wichtiges Konzert, sodass ich mich dort durch das Solo zittern konnte (und das ist absolut wörtlich gemeint), um es dann am Samstag selbstbewusster zu spielen. Bei 16 Takten in denen man jeden Fehler und jede Unsicherheit gehört hätte (hätte es sie denn gegeben! :) ) gar keine so leichte Aufgabe. Doch so erntete ich nach meinen 16 Takten ein strahlendes Lächeln vom Dirigenten, der wohl erleichtert war, dass ich das Ganze nicht so verhauen habe wie noch beim Einspielen.

Während Bolero wohl weltweit bekannt ist, kamen wir jetzt zum mexikanischen Teil. Einige dieser Stücke sind quasi das Äquivalent zu den Märschen und Polkas mit denen ich mich in Deutschland herumquäle; eines dieser Stücke sollte aber dennoch Erwähnung finden, denn es heißt "Caminos de Michoacán" also Wege Michoacáns, des Bundesstaates in dem ich wohne, und ist entsprechend der Klassiker schlechthin. Schade nur, dass uns die Klarinetten-Noten dafür abhanden gekommen sind, denn während der Rest es einfach auswendig spielt, kenne ich das Stück dann doch noch nicht gut genug und versuche mich im Finger lesen. Wer aber ein bisschen etwas von Klarinetten versteht, weiß, dass es für jemanden wie mich, der deutsche Klarinette spielt nicht ohne weiteres möglich ist die Griffe auf Böhm Klarinetten zu lesen. Das ist etwa so als sollte ich spontan und in Echtzeit Niederländisch synchronisieren.

Ein weiteres Stück aus der Kategorie "mexikanische Musik", allerdings kein Volkslied sondern ein Werk für Orchester, ist "Huapango". Anhören lohnt sich, auch wenn das leider nicht unser Orchester ist, das da spielt: http://www.youtube.com/watch?v=sznD8rrHCbk

Die gute Nachricht zum Rest des Konzerts: Davon gibt es tatsächlich eine Aufnahme und ihr  könnt es euch einfach anhören und müsst nicht meine gut gemeinte, aber doch nie ans Original heranreichende Beschreibung lesen. Wenn ich das richtig verstanden habe müsste den Link jeder öffenen können, auch ohne sich bei Facebook anzumelden. Sollte es nicht funktionieren, bitte kurz hier kommentieren, damit ich das ändern kann. Also viel Spaß mit unseren letzten beiden Stücken, wieder von internationaler Bekanntheit - ein Beatles Medley und die Filmmusik aus Fluch der Karibik (mit der ich mich immer in mein deutsches Jugendorchester zurückversetzt fühle, nur, dass wir hier auf einmal Streicher haben): https://www.facebook.com/photo.php?v=669895519692838&set=vb.100000171873791&type=3&theater

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Anlass des Konzerts war eine die Verleihung eines Preises, den wir in der Kategorie "artístico" gewonnen hatten, und mit dem Anschließend jeder einmal posieren durfte:

Samstag, 8. Juni 2013

Mit Mandelentzündung in die Regenzeit

Hiermit spreche ich mich offiziell von dem Vorwurf frei, ich hätte hier ein ganzes Jahr lang Sommer. Gut, die klassischen vier Jahreszeiten habe ich hier tatsächlich nicht durchlebt, aber die sind ja, wie wir in der siebten Klasse in Bili bei Frau Ullrich lernten, auch ein Phänomen der gemäßigten Klimazone, oder "temperate zone" wie wir in unseren Vokabelheften notierten. Mexiko hingegen liegt in den Subtropen bis Tropen.

Tatsächlich war es im "Winter" auch deutlich kälter als jetzt im "Sommer" (20°C statt 30°C) aber irgendwie finde ich die Namen der Jahreszeiten mir denen ich groß geworden bin dafür trotzdem unpassend.

Dafür gibt es hier Regen- und Trockenzeit. Als ich im September ankam, war die Regenzeit gerade am ausklingen. Fast täglich gab es so gegen 17 Uhr ein Gewitter mit ordentlich Regen. Warm war es trotzdem. Von Oktober bis April hat es dann praktisch gar nicht geregnet und ich konnte zusehen wie die Landschaft immer mehr trocken-gelb-braun wurde.

Mittlerweile hat es aber wieder angefangen hin und wieder zu regnen (schätzungsweise ein bis zweimal pro Woche), was nicht bedeutet, dass die Sonne den Rest der Tage nicht genauso erbarmungslos wie immer vom Himmel prallt. Die Auswirkungen des Regens sind dennoch gewaltig: Letztens bin ich mal wieder meine alte Gastfamilie in Huecorio besuchen gefahren und habe den Weg dorthin - 60km Autobahn - kaum wiedererkannt, so verändert und ergrünt war die Landschaft (Berge, Dörfer und Felder) am Straßenrand.

Naja und zweitens wurde der Wetterumschlag auch spontan zur Ursache meiner Mandelentzündung erklärt, mit der ich mich ein paar Tage lang quälte. Mittlerweile ist die dank Antibiotikum wieder abgeklungen, krank werden im Ausland kann ich aber doch eindeutig nicht empfehlen. Ich habe mich lange nicht mehr so abhängig, unselbstständig und verloren gefühlt...

Dienstag, 4. Juni 2013

Was ich vermissen werde...

Lucia fragt:
"Was meinst du, was wirst du am meisten vermissen, wenn du wieder hier bist? Oder welche Ansichten und Einstellung haben sich verändert, woran wirst du dich erst wieder gewöhnen müssen?"

Danke Lucia, da hast du genau den wunden Punkt getroffen, denn es vergeht mittlerweile kaum noch ein Tag, an dem ich nicht erschrocken nachrechne, wie viel Zeit mir noch bleibt oder leise aufseufze, wenn ich mich wieder etwas daran erinnert wie sehr ich dieses Land und seine Leute vermissen werde.

Punkt 1 - Leute
Da gibt es diese Momente,in denen ich mit meiner Gastfamilie am Tisch sitze, wir Witze machen, entscheiden einen Film zu schauen und jemanden zum Popcorn kaufen schicken oder wie Flip-Flop-Fußball spielend oder vorm durchgekitzelt werden fliehend durch die dafür eigentlich zu kleine Wohnung rennen. Diese Momente in denen ich feststelle, dass diese Menschen innerhalb kürzester Zeit meine Geschwister geworden sind und ich noch weit länger als zwei Monate mit ihnen aushalten würde.

Diese Nachmittage, an denen ich für ein paar Stunden zurück zu meiner alten Gastfamilie nach Huecorio fahre und merke, dass ich auch hier immer herzlich Willkommen bin.

Diese Tage an denen ich wegen Halsschmerzen nicht in die Orchesterprobe gegangen bin, zuhause saß und das Orchester schon zu vermissen begann, bis mich nach Probenende einer nach dem anderen auf Facebook anschrieb, fragte wie es mir ginge, wann ich wieder in die Probe käme und wie sie mich vom krank sein ablenken könnten.

Der Gedanke mich von all diesen Personen bald auf unbestimmte Zeit, vielleicht für immer verabschieden zu müssen ist traurig. Ja, ich glaube Freunde und (Gast-)Familie sind, was ich am meisten vermissen werde. Ist übrigens auch, was ich von Deutschland am meisten vermisse.

Punkt 2 - Essen!
Themawechsel um 180° - deutsches Essen habe ich nämlich nie wirklich vermisst. Gut, am Anfang mal so eine schöne scheibe Körnerbrot mit Salami oder Frischkäse oder so, aber mittlerweile haben sich meine Essgewohnheiten so sehr geändert, dass ich mit kaltem Essen kaum noch etwas anfangen kann. Mexikanisches Essen hingegen werde ich vermissen! Es ist nicht umsonst von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt.

Wie soll ich also in Zukunft Essen, so ohne Tortilla (dünne Maismehlfladen, so wie Wraps nur dass die für gewöhnlich ausWeizenmehl sind)? Etwa mit Messer und Gabel? Und keine Tortilla bedeutet eben nicht nur keine Tortilla als Beilage sondern auch die Unmöglichkeit ganzer Gerichte wie Tacos (kleine Tortillas mit Fleisch und Salsa drauf), Enchiladas (mit Salsa eingeweichte Tortillas, dann um Fleisch und/oder Gemüse gewickelt, angebraten und schließlich mit Salat und Crema (etwa wie Crême frâiche) oben drauf serviert), Tacos dorados (wie Enchiladas aber ohne das charakteristische Einweichen, daher knuspriger) oder Chilaquiles (frittierte Tortillastückchen mit Chilisauce).

Auch die richtigen Chilisorten zum Nachkochen der Gerichte könnten in Deutschland schwierig zu finden sein und den Kauf von Mangos oder Avocados in Deutschland sehe ich bei doppeltem Preis und halber Geschmacksqualität auch nicht so ganz ein.

Schön hier ist auch, dass spätestens abends an jeder Straßenecke Essen verkauft wird und das meistens gut und günstig. Ob in einem richtigen Restaurant, am Straßenstand oder im Hof eines Wohnhauses. So viele Möglichkeiten mitten im Wohngebiet - in Deutschland Fehlanzeige.

Was ich auch vermissen werde: Eine erfrischende Michelada gegen die Hitze: Bier mit Zitrone, Salz, Tomatensaft und Chili-Salz-Pulver im Getränk so wie am Glasrand. Klingt eklig? Ist es beim ersten Probieren auch, aber später stellt man fest: Es ist genial!


Ich glaube nicht, dass ich Tequila ernsthaft vermissen werde, aber ich finde es passt hier gerade ganz gut anzumerken, dass wer schon mal richtigen Tequila getrunken hat weiß, dass unser "Sierra"-Tequila in Deutschland ziemlicher Müll ist und mit gutem Tequila nicht zu vergleichen.

Punkt 3 - Lebensweise
Dass alles tendenziell etwas weniger hektisch, lockerer und weniger durchgeplant abläuft kann manchmal unglaublich ineffizient wirken, aber auch schön entspannend sein.

Entspannend zum Beispiel beim Einkaufen. Während der "Tante-Emma-Laden" in Deutschland so gut wie ausgestorben ist, läuft man hier bestimmt nie länger als fünf Minuten bis zur nächsten "tienda". In Deutschland könnte man vom Ertrag eines solchen Supermarktketten-unabhängigen Geschäftes wahrscheinlich gar nicht leben, zumindest kaum besser als von Hartz IV. Auch hier frage ich mich bei der einen oder anderen "tienda", ob sich das Geschäft lohnt, aber Fakt ist, eine mit Hartz IV vergleichbare Alternative existiert nicht. So also ist es hier überhaupt kein Problem, wenn man beim Großeinkauf (auf dem Markt) mal was vergessen hat, denn wenn es an Kleinigkeiten fehlt läuft man eben schnell zur "tienda". Tja und immer, wenn ich mit einer Packung Saft und zwei Tomaten oder Toastbrot und Waschmittel von der "tienda" nach Hause laufe, merke ich, dass ich diese Bequemlichkeit eigentlich nicht mehr missen möchte.

Naja und dann ist da noch diese Offenheit der Leute, viel mehr als in Deutschland, die es selbst mir, die ich nicht direkt schüchtern oder verschlossen aber einfach recht ruhig bin, unglaublich einfach macht Leute kennenzulernen und Freunde zu finden. Ja selbst diese Momente in denen du mit jemandem tanzt, den du gerade eben erst kennengelernt hast (und obwohl du eigentlich auch gar nicht tanzen kannst) werde ich vermissen.

Fazit: Woran ich mich in Deutschland erst wieder gewöhnen muss:
Als ich vor einem knappen Jahr nach Mexiko kam, kam ich offen für alles Neue, Unbekannte, eifrig alles aufzunehmen was mir begegnete. Ich glaube, das war viel einfacher als jetzt zurückzukehren zum Altbekannten, von dem ich mich dennoch etwas entfremdet habe.

Ich weiß nicht ob ich die ganzen kleinen Zeichen von Luxus - Waschmaschine, Spülmaschine, warmes Wasser ohne vorher einen Boiler anzumachen, Elektroherd, eigenes Zimmer, etc. - mehr zu schätzen wissen werde. Wahrscheinlich wird das alles wieder viel zu schnell ganz normal, genauso wie die seltsamen deutschen Essenszeiten (ja, aus mexikanischer Sicht sind die wirklich seltsam) oder viel zu hohe Preise, vor allem für Lebensmittel und Transport, und die natürlich in Euro - wie sahen diese Scheine und Münzen nochmal aus?

Aber ich glaube ich habe auch gelernt zu schätzen, dass ich aus einem Land komme und in einem Land leben werde in dem man in fast allen möglichen Aspekten sicherer ist. Wo man auf den Rechtsstaat vertrauen kann und das organisierte Verbrechen kein Machtfaktor ist. Einem Land, in dem die Kriminalitätsrate gering ist. (Auch wenn mir hier nie etwas passiert ist, mir nicht ein Peso weggekommen ist, was ich schon an Geschichten von Raub, Mord und Entführungen gehört habe.. puuuh ihr wollts gar nicht wissen.) Zudem einem Land, in dem es von staatlicher Seite soziale Sicherheit gibt - Unterstützung im Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit, etc. All das ist nicht selbstverständlich.

Dass sich meine Sichtweisen groß verändert, im Sinne von widerlegt und umgekehrt haben, kann ich nicht sagen. Sie haben sich viel mehr durch neue Erkenntnisse erweitert oder aber gefestigt, sodass ich mich jetzt gleichzeitig flexibler und selbstsicherer, aber nicht in sich verändert fühle. Ist das verständlich ausgedrückt? Ich glaube so richtig feststellen oder vielleicht auch an einem Beispiel festmachen können werde ich das erst zurück in Deutschland. Wer weiß ob ich euch verändert vorkomme... ich hoffe wenn nur positiv!

Samstag, 1. Juni 2013

Uruapan, Uruapan, Uruapaaaaan!

Schon einmal einen mexikanischen Busticket-Verkäufer die nächsten Ziele ansagen hören? Nein? Schade, denn es ist gleichzeitig nervig (weil man dann ja auch irgendwann ohne angeschrien zu werden weiß, dass von dieser Station Busse fahren und wohin), lustig (weil diese Schreianfälle oft so plötzlich und spontan aus den Personen herauszusprudeln scheinen) und beeindruckend (ja wirklich, sag mal viermal hintereinander "Uruapan", das hat Zungenbrecher-Potenzial!)

Vor ein paar Wochen (wie schon im Falle Mexiko Stadt hänge ich mit der Berichterstattung etwas hinterher) folgten Xenia und ich dann erstmals dem "Uruapan-Lockruf" und machten uns wieder auf Reisen, beziehungsweise einen Wochenendausflug.

Uruapan selbst ist nicht übermäßig spannend. Es gibt einen sehr schönen Park, in dem ich schon einmal mit meiner alten Gastfamilie und diesmal jetzt mit Xenia war. Vielleicht erinnern die Bilder den ein oder anderen:





Den Abend verbrachten wir im Kino und gingen nicht allzu spät schlafen, denn das eigentliche Highlight des Wochenendes lag noch vor uns. Etwa gegen sieben Uhr am nächsten Morgen hatten wir bereits aus dem hübschen kleinen Hotel ausgecheckt und waren unterwegs zum Busbahnhof. Von dort aus ging es mit so wenig Gepäck wie möglich (was bei vier Litern Wasser aber immer noch recht viel ist) weiter nach Angahuan. In diesem Dorf spricht man ursprünglich Purépecha, eine indigene Sprache. Jeder, oder zumindest jeder, der mit Leuten von außerhalb zu tun hat, spricht aber auch Spanisch. Kinder lernen es als Fremdsprache von klein auf in der Schule.

Angahuan dient Toruisten als Ausgangspunkt für Touren zum Vulkan Paricutín. Dieser entstand erst 1943 und das überaus plötzlich. Von einem der umliegenden Dörfer ist nur noch der aus dem Vulkangestein ragende Kirchturm zu sehen. Führer bieten berittene Touren zum Vulkan sowie dem verschütteten Dorf San Juan Parangaricutiro an. Und genau das war unser Plan für heute.

So trafen wir gleich als wir aus dem Bus ausstiegen auf freundliche Pferdeführer, mit denen wir die Tour machen würden. Letztlich stellte sich zwar heraus, dass uns nur der zwölfjährige Sohn einer der Männer auf die knapp 6-stündige Tour begleiten würde, doch was das anging hatte uns der Reiseführer schon vorgewarnt. Ebenfalls vorgewarnt waren wir, was die Bequemlichkeit eines so langen Rittes angeht. Vor allem ich war leicht besorgt, hatte ich doch noch nie länger als 10 Minuten am Stück auf einem Pferd gesessen.

Der Hinritt war lang, etwa drei Stunden waren wir bei nicht unbeträchtlicher Hitze unterwegs. Wir ritten fast ausschließlich Schritt, traben war einfach zu unbequem, da ich immer wieder den Halt in den Steigbügeln verlor und jedes Mal ungebremst mit dem Hintern auf dem Sattel landete - autsch.

Doch endlich, endlich kam der Vulkan in Sicht. Das Ganze kann man sich etwa so vorstellen:



Den Pferden war schon genug zugemutet worden; an den Aufstieg mussten wir uns auf eigenen Beinen machen. Das Unpraktische: Der Vulkansand ist so fein, dass man mit jedem Schritt den man nach vorne, bzw. oben macht wieder einen halben Schritt hinabrutscht. Der Aufstieg erschien somit schier endlos. Jetzt merkten wir auch, warum unser Führer unten warten wollte! Schatten suchte man vergeblich - dann eben alle zehn Schritte Pause in praller Sonne und einen guten Schluck lauwarmes Wasser! Wir brauchten bestimmt eine halbe Stunde für den Aufstieg und gönnten uns dort oben angekommen dann eine ebenso lange Pause bei leckeren Schokoladenkeksen, unserem einzigen Reiseproviant.
Fotos von ganz oben:

Der Krater... schade, ich dachte immer man könnte hier bis in den Erdkern schauen...
erkennbar selbstverständlich an knall-orangener brodelnder Lava!
KEKSEEEE!
Der Ausblick von oben
Genau der Umstand, der uns den Aufstieg so schwer machte, machte den Abstieg allerdings zu einer spaßigen und kinderleichten Rutschpartie. Ein großer Schritt nach unten und schwuuuups nochmal die gleiche Distanz weitergeschlittert. Ist ein bisschen wie Ski fahren - glaube ich - ist schon etwas her, dass ich das letzte Mal Ski fahren war...

Unten angekommen stiegen wir wieder auf die Pferde und dank neuer, kürzerer Einstellung der Steigbügel hatte ich auch endlich den nötigen Halt, den Rückweg in höherem Tempo anzugehen. Das Traben war plötzlich gar nicht mehr so schwer, nur beim Galoppieren wusste ich nie so ganz ob gerade Adrenalin, Freiheitsgefühl und Spaß überwogen oder doch eher die Angst vorm Runterfallen, die mich immer schon nach kurzer Zeit bremsen ließ.

Nach einem nur Bruchteil der drei Stunden, die wir für den Hinweg gebraucht hatten erreichten wir San Juan Parangaricutiro, das bereits erwähnte verschüttete Dorf - zu erkennen nur am Kirchturm:


Dort konnten wir auch endlich etwas essen, was wir uns redlich verdient hatten. Ein guter Moment, um unsere heute gelernte Purépecha-Vokabel anzuwenden: "diosmellamuilla" bedeutete "danke".

Das Hleiche sagten wir dann wieder zurück in Angahuan auch zu unserem jungen Führer. Wir hoffen er hat sich nicht allzu sehr gelangweilt. Besonders gesprächig war er während der fünf Stunden nämlich nicht...

Montag, 27. Mai 2013

Der letzte Zwischenbericht

Am Montag habe ich meinen letzten Zwischenbericht an ijgd geschickt.
Das bedeutet ich bin tatsächlich nur noch etwa 2,5 Monate lang hier!
Wie jedes Mal bekommt ihr den Auszug, der einen typischen meiner Tage hier beschreibt. Das ganze ist nicht wirklich alles am gleichen Tag passiert, spiegelt aber relativ realistisch wieder wie mein Tag derzeit abläuft:


Es ist Dienstag, etwa halb zehn. Ich gebe den Kampf gegen den Wecker auf, stehe auf und gehe duschen. Etwa zwanzig Minuten später bin ich bereit für den Tag und baue den Notenständer auf um Klarinette zu üben – Weber Concertino – klappt doch immer besser. Der Blick auf die Uhr bringt mich zurück in die Realität, ich packe Klarinette und Notenständer zusammen sowie Unterrichtsmaterialen zusammen, mache mir noch schnell ein „almuerzo“ (warme Mahlzeit zwischen Frühstück und Mittagessen, ca um 11 Uhr, für mich als Spätaufsteher ist es tatsächlich die erste Mahlzeit) warm und verlasse dann gegen halb zwölf das Haus. Direkt vor der Haustür, nun gut genau vor unserem Apartment-Block, nehme den Kombi, der mich fast bis zur Arbeit bringt. Den letzten Kilometer laufe ich – schön also, dass es heute mal  bewölkt ist. Im IJUM angekommen stelle ich fest, ich habe ja gestern das letzte Inhaltsverzeichnis für die Aktenschränke fertig bekommen, habe also gar keine Aufgaben mehr. Ich frage also rum, niemand hat so wirklich etwas zu tun, beziehungsweise es gibt genug Studenten, die hier ihren obligatorischen sozialen Dienst machen, um diese zu schicken. Also lande ich bei Fernando, der eigentlich auch nichts zu tun hat, beziehungsweise nur dann wenn jemand vorbeikommt, dem er eine Rabattkarte für Jugendliche ausstellen kann und leiste ihm beim wenig tun Gesellschaft und quatsche ein bisschen über Deutschland, Mexiko, Fußball und was sonst noch so wichtig ist. Zwischendrin rede ich kurz mit meinem Chef, anscheinend geht es demnächst mit meinem ausgearbeiteten Vortrag zum Thema Bildung, Drogen und Sport, mit besonderem Bezug zu oder Vergleich mit Deutschland, los. Drei Stunden später fängt endlich meine Deutschstunde an. Meine gesamten zwei Deutschschülerinnen sind versammelt, an der Tafel machen wir einen winzigen Vokabeltest, lesen einen Text mit jeder Menge „dürfen“ „müssen“, „können“ und „wollen“, schlagen uns durch Grammatikaufgaben für Modalverben und kleben zu guter Letzt Post-Its an Stühle, Tische, Hefte, Bücher und so weiter um diese mit ihrem deutschen Namen zu beschriften. Um 17 Uhr sind wir auch damit fertig. Wir verabschieden uns und ich nehme einen Kombi ins Zentrum, wo ich um 18 Uhr Probe mit dem Orchester habe. Ich habe vorher noch genügend Zeit die neuesten Noten auszudrucken und mir ein Croissant oder doch lieber einen Joghurt zu kaufen, schließlich ist die letzte Mahlzeit schon etwas her. Von 18 bis 21 Uhr proben wir dann, ausgenommen einer halbstündigen Pause, die sich wie die Zeit nach der Probe prima eignet um mit neuen, aber auch alten Freunden, nämlich Nicole mit der ich in Huecorio war, zu quatschen. Schließlich fahre ich wieder nach Hause, wo ich mit Heißhunger eintreffe. Ich habe Glück, es ist noch Essen im Kühlschrank, das Nudeln kochen trifft mich also erst morgen. Beim Essen unterhalte ich mich mit meinen Brüdern über den Tag und darüber wie sehr wir Marisol vermissen, die ab sofort aus beruflichen Gründen nur noch am Wochenende mit uns wohnt. Schließlich gehe ich in mein Zimmer, setze mich noch eine Zeit lang an den Laptop und lege mir nebenbei einen Plan für die nächste Deutschstunde zurecht. Auf einmal ist es schon halb eins. Zeit zu schlafen. Ich schalte den Laptop aus, stelle den Wecker für morgen und mache schließlich das Licht aus. Buenas noches!

Sonntag, 26. Mai 2013

Juhuu eine erste Frage :)

Mein Papa schreibt: "wer [spielt] denn so im Orchester [...]. Ist das nur die "Oberschicht"? Die Instrumente sind doch sehr teuer, so dass sich diese (aber auch den Unterricht) bestimmt nicht jeder leisten kann. Oder gibt es hier irgendeine Unterstützung, z. B. Leihinstrumente?"

Sehr gute Frage, ich hab mich das auch schon gefragt und eine 100%ige Antwort konnte ich mir leider auch nicht geben, aber ich werde es versuchen.
Von Leihinstrumenten habe ich nichts gehört, allerdings nickt auch der ein oder andere bedächtig mit dem Kopf, wenn ich auf die Frage antworte wieviel mich denn meine Klarinette gekostet hat. Klar, Instrumente sind teuer, aber es gibt ja auch immer noch preisliche Abstufungen und hier ist auch nochmal alles etwas günstiger . (So habe ich etwa 6 Euro bezahlt, dafür dass ich meine Klarinette zweimal zur Reparatur gebracht habe, weil eine Klappe nicht mehr schloss. In Deutschland hätte mich das garantiert mindestens das dreifache wenn nicht das fünffache gekostet, wenn nicht noch viel mehr).
Deutschland ist für viele hier sowieso das "Musiker-Paradies", sowohl was die musikalische (Hochschul-)Ausbildung, als auch die hergestellten Instrumente angeht. So habe ich einen Klarinettisten kennengelernt, der dort fertig studieren möchte, einen Oboisten, der davon träumt in Deutschland eine Oboe zu kaufen und einen Musiker, ich weiss nicht mehr was er spielt, der den Bundesadler als Handy-Hintergrund hat und mich für verrückt erklärt hat meine Heimat verlassen zu haben.
Der Unterricht ist nicht bedeutend günstiger als in Deutschland. Ich habe meinen Klarinettenlehrer von hier einmal gefragt wieviel er gewöhnlich nimmt: Etwa 15 Euro, allerdings weniger wenn er weiss, dass der Schüler nicht viel Geld hat. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jeder Lehrer so sozial anstatt Profit-orientiert eingestellt ist.
Letzlich würde ich sagen es läuft wohl darauf hinaus, dass die Musiker vor allem aus Mittel- und Oberschicht kommen, was in Deutschland ja durchaus ähnlich ist, nur dass wir dort eine deutlich breitere Mittelschicht haben. Wenn man sie aber hier irgendwo doch einigermassen antrifft, dann hier in der Stadt.
Ich habe allerdings auch gehört, dass sich jemand das ganze über Strassenmusik finanziert muss und auch unabhängig davon, verdienen viele durch andere Orchester oder Ensembles dazu, ich denke aber auch mehr aus Spass und zusätzlich wegen des Geldes. Ausserdem versucht das Orchester gerade über die Stadt-Regierung am Stipendien für alle zu bekommen.

Geld spielt also schon eine Rolle, allerdings ist die Einstellung aus zu Geld hier auch eine ganz andere. Es wird nichts zurück gelegt und wenn mal übrig ist, wird es ausgegeben: Ein neues Handy, ein neuer Fernseher, ein Wochenende am Strand, eine grosse Feier also warum nicht auch ein Musikinstrument. Kaum jemand investiert in Versicherungen (diese existieren sowieso nur privat). Jede Art der Krise, ob Arbeitslosigkeit oder Krankheit, schlägt also finanziell hart zu und nicht selten muss die ganze Familie zusammenlegen, Autos verkaufen oder was auch immer, um sie zu bewältigen. Andererseits habe ich richtige existenzbedrohende Armut hier auch kaum bis nicht gesehen. (Was nicht bedeuten soll, dass sie nicht existiert, nur in meinem direkten Umfeld eben nicht.) In den meisten Familien ist zumindest für das allerwichtigste immer genug Geld da, sprich viel Essen (daran wird zuletzt gespart), Strom, Wasser,... Vielleicht wird es mal eng und es gibt keinen Geburtstagskuchen oder kein Benzin fürs Auto, aber kurze Zeit später ist dann auch wieder Geld da. Deshalb finde ich es auch nicht möglich einen Durschnittsmexikaner (auch das gibt es ja schonmal nicht wirklich), arm zu nennen oder "zu arm" um gut ausgestatteter Musiker zu sein. Ist eine Familie, die kein Sofa kauft, keinen Staubsauger, keinen Ofen, das Waschbecken nicht reparieren lässt und von einem Plastik-Coca-Cola Tisch (mit zugehörigen Stühlen) isst arm? Nein, denn sie haben Fernsehen, seit neuestem einen Laptop und der Kühlschrank ist höchstens aus Faulheit leer. Es existieren einfach auch ganz andere Prioritäten...

Ich hoffe ich konnte die Frage so eingermassen beantworten und hoffe es folgen noch mehr!

Freitag, 24. Mai 2013

Erste Hilfe für meinen Blog


5 Einträge im August,
13 im September,
18 im Oktober,
9 im November,
7 im Dezember,
2 im Januar,
4 im Februar,
1 im März,
2 im April,
und 4 im Mai...


Eine konstante Frequenz sieht wahrlich anders aus, aber woran liegt das?


Faktor Nummer eins: Der Umzug vom Dorf in die Stadt und der damit einhergehende "Stress". Wobei es eigentlich nicht wirklich Stress ist, aber Langeweile (wie so manchen Nachmittag im Dorf) habe ich letztlich auch nicht mehr.


Hinzu kommen Internet-Entzugserscheinungen, Ich hatte über einen Monat kein Internet im Haus und das bekam vor allem mein Blog zu spüren!


Ein weiterer Grund: Die Gewohnheit. Nach der anfänglichen Begeisterung finde ich mittlerweile alles ganz normal, was zwar noch lange nicht schlecht heißt, aber eben auch nicht Blogeintrags-würdig. Damit spiegelt mein Blog gut wieder, was man uns auf den Vorbereitungsseminaren schon vorhergesagt hatte. Dass das Einleben in eine fremde Kultur meist mit übermütoger Begeisterung beginnt, gefolgt vom Kulturschock, der bei mir zum Glück ausblieb oder einfach in so kleinen gut verdaubaren Rationen kam, dass es mir nicht weiter auffiel, und schließlich die eben beschriebene Gewohnheit.


Dabei ist es also durchaus möglich, dass ich etwas für euch zuhause überaus interessantes einfach auslasse. Also nutzt doch einach die "Kommentar"-Funktion. Das funktioniert mit oder ohne Google-Konto, mit eigenem Namen, ausgedachtem Namen oder auch anonym. Einfach auf "Keine Kommentare" klicken, wenn du der erste bist oder auf "x Kommentare" wenn du der x+1te bist und es öffnet sich ein Schreib-Fenster.


Also hinterlasst wir eure Fragen oder Ideen für weitere Blogeinträge. Vielleicht können wir mit einigen Vorurteilen gegenüber Mexiko oder den Mexikanern aufräumen und ganz nebenbei meinen Blog reanimieren!