Sonntag, 23. Juni 2013

Ich stelle vor: Mein Zimmer


Unschwer zu erkennen an:
1. Meinem Laptop in den ich mittlerweile wieder fleißiger Blogeinträge tippe.
2. Den Überresten eine Mango - von denen habe ich immer noch nicht genug.
3. Notenständer, um fleißig zu üben :)
4. Leider nicht so gut erkennen Familienfoto da hinten auf dem Schoß vom pinken Kusceltier in der Ecke.

Alle Wege führen in die USA

Die einzige direkte Staatsgrenze zwischen einem "Industrieland" und einem "Entwicklungsland": Die häufig verwendeten jedoch politisch nicht mehr ganz korrekten Begriffe "1. Welt" und "3. Welt" scheinen schon zu implizieren, dass eigentlich eine ganze Welt dazwischen liegt. (Das "Fehlen" der "2. Welt" liegt tatsächlich aber daran, dass dieser Ausdruck ursprünglich den kommunistischen Block beschreibt, der heute als solcher nicht mehr existiert.)

Die einzige solche Grenze also - und was für eine:  3.150km Sicherheitszaun, Grenzfluss und Wüste, illegal über- unter- oder durchquert von jährlich hunderttausenden oder doch millionen Menschen (darunter nicht nur Mexikaner, sondern etwa auch Menschen aus Guatemala, El Salvador oder Honduras), und 20 Grenzübergänge, die für jene Mexikaner offen stehen, die das Glück haben legal einreisen zu dürfen.

Während die USA Milliarden für die Grenzsicherung ausgeben, sind die Überweisungen mexikanischer Migranten an ihre Familien zuhause nach Erdöl die zweitwichtigste Einnahmequelle Mexikos. Klingt als seien die USA die Leidtragenden der geographischen Begebenheit. Das stimmt so allerdings auch nicht, denn dank des nordamerikanischen Freihandelsabkommens zwischen Kanada, den USA und Mexiko, abgekürzt NAFTA für North American Free Trade Agreement, haben US-amerikanische Firmen Mexiko einerseits als billiges Produktionsland für sich entdeckt - "maquiladores", Fertigungsfabriken, säumen die mexikanische Seite der Grenze - als auch als wertvollen Absatzmarkt. Und so zahlen die Mexikaner mit jeder Coca-Cola, die sie trinken (und ich erinnere daran, dass bei meiner alten Gastfamilie zu jedem Mittagessen die 2,5l Flasche auf dem Tisch stand) doch wieder an die USA zurück.

Zurück aber zur Migration: Dieses Thema wurde in der Schule immer gut diskutiert. Im Spanisch Unterricht, wenn es gerade um Mexiko ging und noch einmal mehr im Englisch Leistungskurs, dessen Schwerpunkt deutlich auf Integration und Multikulturalismus lag. Damals, auf der anderen Seite des Atlantiks, hatten wir zwar unzählige Stichpunkte parat, Beispiele für gute Immigration und kulturelle Bereicherung, Beispiele für die Bildung von Enklaven und und und, trotzdem war das eigentliche Problem unendlich weit weg. Jetzt, immer noch in sicheren 1000 km Entfernung von der Grenze, findet das ganze jedoch um mich herum statt:

Meine Gastfamilie (aus Huecorio) erzählt mir von ihren Kindern in den USA, von den Enkeln die so fließend diese unbekannte Sprache sprechen. Ich grüße sie per Videoanruf.
Mal ist meine Gastmutter stolz zu berichten, dann wieder den Tränen nahe wegen der Trennung von ihren geliebten Kindern.
Ein Paket kommt an, voller getragener amerikanischer Kleidung, die meine Familie dann hier verkauft.
Männer die einmal in den USA waren, jetzt aber wieder im Dorf leben versuchen bei mir mit ihren Englisch-Kenntnissen zu prahlen. (vergeblich)
Man erzählt mir warum im Dorf so viele Häuser leerstehen und verfallen: Die Besitzer sind in den USA und interessieren sich nicht mehr dafür.
Der Cousin meiner neuen Gastfamilie in Morelia, aufgewachsen in den USA, kommt vorbei und spricht Spanisch mit noch mehr Akzent als ich.
...

So habe ich auch meine Stichpunkte aus dem Englisch Leistungskurs etwas überdenken können: Es ist eben nicht immer der große "American Dream", vom Tellerwäscher zum Millionär, einzig durch harte Arbeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das ist viel zu ideologisch, viel zu weit in die Zukunft gedacht und damit viel zu weit weg von der Realität der Menschen. Den Eindruck, den ich vom Leben und den Menschen hier habe, ist vielmehr, dass sie von Moment zu Moment, Tag zu Tag, Jahr zu Jahr leben - nehmen was kommt, keine großen Pläne machen, die dann doch wieder überworfen werden würden. Das Leben ist hier spontaner und dadurch gleichzeitig einfacher und komplexer. Komplexer weil die willkürlichen Faktoren Korruption und organisiertes Verbrechen mitspielen oder weil im Krankheitsfall eines Verwandten die ganze Familie der Versicherer ist, nicht der Staat, und einfach mal ihr ganzes Erspartes abgibt. Aber auch einfacher, weil der Umgang damit erfordert spontan und flexibel zu sein und keines Planes bedarf. Das ist meine Interpretation. Vielleicht ist sie völliger Schwachsinn, aber so ist mein Eindruck.

Ein "American Dream" passt in das beschriebene Bild also wenig. Klar, es geht um Geld; selbst ungelernt, verdient es sich in den USA besser als hier. Und bei 0 Tagen gesetzlichem Urlaubsanspruch im ersten Jahr, 6 die darauffolgenden nach ein paar Jahren schließlich 12 wohlgemerkt bei Arbeit von Montag bis Samstag, naja da kann einen auch illegale Arbeit ohne Vertrag und ganz ohne Ansprüche nicht mehr groß schocken. Es geht also um Geld, aber der eigentlich "American Dream" beinhaltet vor allem Aufstieg. Zumindest illegale Einwanderer aber bleiben zumeist ungelernte billige (Saison-)Arbeiter. Und das wissen sie auch. Doch wenn sie dann mit ihrem neuen Auto nach Mexiko zurückkehren und mit ihren Freunden und einem Sixpack Bier über die Schotterstraßen ihres Ranchos fahren sind sie dennoch Helden und inspirieren die Jüngeren es ihnen nachzutun.

Ach ja: notiere neben Geld zwei weitere Gründe oder zumindest Auslöser sich letztlich für die Ausreise zu entscheiden: 1. Ganz banal: Liebeskummer. 2. Flucht vor den Fängen der Drogenmafia... klingt mehr nach Amerikanischem Alptraum.

Und warum dieser Artikel genau jetzt?
Vor ein paar Wochen hat meine Gastschwester Alejandra die Ausreise gewagt - illegal. Das hat bei mir erstmal Schreckensbilder hervorgerufen. Ich sah sie im Rio Grande ertrinken, von Hunden gejagt durch ein Loch im Stacheldraht kriechen und in der Wüste verdursten. 500 Mexikaner sterben jährlich beim Versuch der illegalen Grenzüberquerung. Doch glücklicherweise entsprach nichts von alledem der Realität. Ich weiß nicht viel von ihrer Ausreise, nur dass sie zufällig über eine Freundin einen "Koyoten", einen Schleuser, kennenlernte, ihm eine Summe zahlte an die ich mich nicht mehr erinnere, aber die mir die Sprache verschlug und wohl den Rio Grande auf einem Boot überquerte. Klingt einfach, wären sie aber geschnappt worden wäre an Land eine ziemlicher Sprint gen Freiheit oder aber Abschiebung gefolgt. Jetzt ist sie bei ihrer Schwester in Los Angeles.

Und auch mein Gastbruder Chapis steht in den Startlöchern. Er hatte allerdings keinen Schleuser kennengelernt, sondern jemanden der Kontakt zu den offiziellen Behörden hat und ihm daher legale Papiere beschaffen kann. Diese sind gerade in Arbeit.

Und meine Familie? Nun die versucht sich in Optimismus, doch Traurigkeit und Sorge sitzen tiefer. Drei Kinder sind schon in den USA. Bald werden es fünf von sieben sein.
Die Arbeit in den USA mag wirtschaftlich lohnenswert sein, doch sie zerreißt Familien.

Freitag, 14. Juni 2013

Von Bolero über Caminos de Michoacán bis Fluch der Karibik

... so könnte man das Programm des Konzertes beschreiben, das wir am letzten Samstag gegeben haben, und das nebenbei das wohl beste Konzert war, das ich mit diesem Orchester gespielt habe und wohl auch jemals spielen werde, denn leider steht nur noch ein kleiner Auftritt an, bevor es in wenigen Tagen in die Ferien geht, die auch leider nicht mehr aufhören werden, bis ich schon zurück in Deutschland bin. Das ist wirklich schade, denn das Orchester und seine Musiker sind längst essentieller Bestandteil meines Alltags geworden.



Zurück aber zum Programm. Los ging es mit Bolero, was weiter kein großes Problem gewesen wäre, hätte der andere Klarinettist nicht zwei Tage vorher entschieden mir eines seiner Solos zu überlassen. Zum Glück hatten wir am Freitag, also einen Tag zuvor schon ein weniger wichtiges Konzert, sodass ich mich dort durch das Solo zittern konnte (und das ist absolut wörtlich gemeint), um es dann am Samstag selbstbewusster zu spielen. Bei 16 Takten in denen man jeden Fehler und jede Unsicherheit gehört hätte (hätte es sie denn gegeben! :) ) gar keine so leichte Aufgabe. Doch so erntete ich nach meinen 16 Takten ein strahlendes Lächeln vom Dirigenten, der wohl erleichtert war, dass ich das Ganze nicht so verhauen habe wie noch beim Einspielen.

Während Bolero wohl weltweit bekannt ist, kamen wir jetzt zum mexikanischen Teil. Einige dieser Stücke sind quasi das Äquivalent zu den Märschen und Polkas mit denen ich mich in Deutschland herumquäle; eines dieser Stücke sollte aber dennoch Erwähnung finden, denn es heißt "Caminos de Michoacán" also Wege Michoacáns, des Bundesstaates in dem ich wohne, und ist entsprechend der Klassiker schlechthin. Schade nur, dass uns die Klarinetten-Noten dafür abhanden gekommen sind, denn während der Rest es einfach auswendig spielt, kenne ich das Stück dann doch noch nicht gut genug und versuche mich im Finger lesen. Wer aber ein bisschen etwas von Klarinetten versteht, weiß, dass es für jemanden wie mich, der deutsche Klarinette spielt nicht ohne weiteres möglich ist die Griffe auf Böhm Klarinetten zu lesen. Das ist etwa so als sollte ich spontan und in Echtzeit Niederländisch synchronisieren.

Ein weiteres Stück aus der Kategorie "mexikanische Musik", allerdings kein Volkslied sondern ein Werk für Orchester, ist "Huapango". Anhören lohnt sich, auch wenn das leider nicht unser Orchester ist, das da spielt: http://www.youtube.com/watch?v=sznD8rrHCbk

Die gute Nachricht zum Rest des Konzerts: Davon gibt es tatsächlich eine Aufnahme und ihr  könnt es euch einfach anhören und müsst nicht meine gut gemeinte, aber doch nie ans Original heranreichende Beschreibung lesen. Wenn ich das richtig verstanden habe müsste den Link jeder öffenen können, auch ohne sich bei Facebook anzumelden. Sollte es nicht funktionieren, bitte kurz hier kommentieren, damit ich das ändern kann. Also viel Spaß mit unseren letzten beiden Stücken, wieder von internationaler Bekanntheit - ein Beatles Medley und die Filmmusik aus Fluch der Karibik (mit der ich mich immer in mein deutsches Jugendorchester zurückversetzt fühle, nur, dass wir hier auf einmal Streicher haben): https://www.facebook.com/photo.php?v=669895519692838&set=vb.100000171873791&type=3&theater

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Anlass des Konzerts war eine die Verleihung eines Preises, den wir in der Kategorie "artístico" gewonnen hatten, und mit dem Anschließend jeder einmal posieren durfte:

Samstag, 8. Juni 2013

Mit Mandelentzündung in die Regenzeit

Hiermit spreche ich mich offiziell von dem Vorwurf frei, ich hätte hier ein ganzes Jahr lang Sommer. Gut, die klassischen vier Jahreszeiten habe ich hier tatsächlich nicht durchlebt, aber die sind ja, wie wir in der siebten Klasse in Bili bei Frau Ullrich lernten, auch ein Phänomen der gemäßigten Klimazone, oder "temperate zone" wie wir in unseren Vokabelheften notierten. Mexiko hingegen liegt in den Subtropen bis Tropen.

Tatsächlich war es im "Winter" auch deutlich kälter als jetzt im "Sommer" (20°C statt 30°C) aber irgendwie finde ich die Namen der Jahreszeiten mir denen ich groß geworden bin dafür trotzdem unpassend.

Dafür gibt es hier Regen- und Trockenzeit. Als ich im September ankam, war die Regenzeit gerade am ausklingen. Fast täglich gab es so gegen 17 Uhr ein Gewitter mit ordentlich Regen. Warm war es trotzdem. Von Oktober bis April hat es dann praktisch gar nicht geregnet und ich konnte zusehen wie die Landschaft immer mehr trocken-gelb-braun wurde.

Mittlerweile hat es aber wieder angefangen hin und wieder zu regnen (schätzungsweise ein bis zweimal pro Woche), was nicht bedeutet, dass die Sonne den Rest der Tage nicht genauso erbarmungslos wie immer vom Himmel prallt. Die Auswirkungen des Regens sind dennoch gewaltig: Letztens bin ich mal wieder meine alte Gastfamilie in Huecorio besuchen gefahren und habe den Weg dorthin - 60km Autobahn - kaum wiedererkannt, so verändert und ergrünt war die Landschaft (Berge, Dörfer und Felder) am Straßenrand.

Naja und zweitens wurde der Wetterumschlag auch spontan zur Ursache meiner Mandelentzündung erklärt, mit der ich mich ein paar Tage lang quälte. Mittlerweile ist die dank Antibiotikum wieder abgeklungen, krank werden im Ausland kann ich aber doch eindeutig nicht empfehlen. Ich habe mich lange nicht mehr so abhängig, unselbstständig und verloren gefühlt...

Dienstag, 4. Juni 2013

Was ich vermissen werde...

Lucia fragt:
"Was meinst du, was wirst du am meisten vermissen, wenn du wieder hier bist? Oder welche Ansichten und Einstellung haben sich verändert, woran wirst du dich erst wieder gewöhnen müssen?"

Danke Lucia, da hast du genau den wunden Punkt getroffen, denn es vergeht mittlerweile kaum noch ein Tag, an dem ich nicht erschrocken nachrechne, wie viel Zeit mir noch bleibt oder leise aufseufze, wenn ich mich wieder etwas daran erinnert wie sehr ich dieses Land und seine Leute vermissen werde.

Punkt 1 - Leute
Da gibt es diese Momente,in denen ich mit meiner Gastfamilie am Tisch sitze, wir Witze machen, entscheiden einen Film zu schauen und jemanden zum Popcorn kaufen schicken oder wie Flip-Flop-Fußball spielend oder vorm durchgekitzelt werden fliehend durch die dafür eigentlich zu kleine Wohnung rennen. Diese Momente in denen ich feststelle, dass diese Menschen innerhalb kürzester Zeit meine Geschwister geworden sind und ich noch weit länger als zwei Monate mit ihnen aushalten würde.

Diese Nachmittage, an denen ich für ein paar Stunden zurück zu meiner alten Gastfamilie nach Huecorio fahre und merke, dass ich auch hier immer herzlich Willkommen bin.

Diese Tage an denen ich wegen Halsschmerzen nicht in die Orchesterprobe gegangen bin, zuhause saß und das Orchester schon zu vermissen begann, bis mich nach Probenende einer nach dem anderen auf Facebook anschrieb, fragte wie es mir ginge, wann ich wieder in die Probe käme und wie sie mich vom krank sein ablenken könnten.

Der Gedanke mich von all diesen Personen bald auf unbestimmte Zeit, vielleicht für immer verabschieden zu müssen ist traurig. Ja, ich glaube Freunde und (Gast-)Familie sind, was ich am meisten vermissen werde. Ist übrigens auch, was ich von Deutschland am meisten vermisse.

Punkt 2 - Essen!
Themawechsel um 180° - deutsches Essen habe ich nämlich nie wirklich vermisst. Gut, am Anfang mal so eine schöne scheibe Körnerbrot mit Salami oder Frischkäse oder so, aber mittlerweile haben sich meine Essgewohnheiten so sehr geändert, dass ich mit kaltem Essen kaum noch etwas anfangen kann. Mexikanisches Essen hingegen werde ich vermissen! Es ist nicht umsonst von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt.

Wie soll ich also in Zukunft Essen, so ohne Tortilla (dünne Maismehlfladen, so wie Wraps nur dass die für gewöhnlich ausWeizenmehl sind)? Etwa mit Messer und Gabel? Und keine Tortilla bedeutet eben nicht nur keine Tortilla als Beilage sondern auch die Unmöglichkeit ganzer Gerichte wie Tacos (kleine Tortillas mit Fleisch und Salsa drauf), Enchiladas (mit Salsa eingeweichte Tortillas, dann um Fleisch und/oder Gemüse gewickelt, angebraten und schließlich mit Salat und Crema (etwa wie Crême frâiche) oben drauf serviert), Tacos dorados (wie Enchiladas aber ohne das charakteristische Einweichen, daher knuspriger) oder Chilaquiles (frittierte Tortillastückchen mit Chilisauce).

Auch die richtigen Chilisorten zum Nachkochen der Gerichte könnten in Deutschland schwierig zu finden sein und den Kauf von Mangos oder Avocados in Deutschland sehe ich bei doppeltem Preis und halber Geschmacksqualität auch nicht so ganz ein.

Schön hier ist auch, dass spätestens abends an jeder Straßenecke Essen verkauft wird und das meistens gut und günstig. Ob in einem richtigen Restaurant, am Straßenstand oder im Hof eines Wohnhauses. So viele Möglichkeiten mitten im Wohngebiet - in Deutschland Fehlanzeige.

Was ich auch vermissen werde: Eine erfrischende Michelada gegen die Hitze: Bier mit Zitrone, Salz, Tomatensaft und Chili-Salz-Pulver im Getränk so wie am Glasrand. Klingt eklig? Ist es beim ersten Probieren auch, aber später stellt man fest: Es ist genial!


Ich glaube nicht, dass ich Tequila ernsthaft vermissen werde, aber ich finde es passt hier gerade ganz gut anzumerken, dass wer schon mal richtigen Tequila getrunken hat weiß, dass unser "Sierra"-Tequila in Deutschland ziemlicher Müll ist und mit gutem Tequila nicht zu vergleichen.

Punkt 3 - Lebensweise
Dass alles tendenziell etwas weniger hektisch, lockerer und weniger durchgeplant abläuft kann manchmal unglaublich ineffizient wirken, aber auch schön entspannend sein.

Entspannend zum Beispiel beim Einkaufen. Während der "Tante-Emma-Laden" in Deutschland so gut wie ausgestorben ist, läuft man hier bestimmt nie länger als fünf Minuten bis zur nächsten "tienda". In Deutschland könnte man vom Ertrag eines solchen Supermarktketten-unabhängigen Geschäftes wahrscheinlich gar nicht leben, zumindest kaum besser als von Hartz IV. Auch hier frage ich mich bei der einen oder anderen "tienda", ob sich das Geschäft lohnt, aber Fakt ist, eine mit Hartz IV vergleichbare Alternative existiert nicht. So also ist es hier überhaupt kein Problem, wenn man beim Großeinkauf (auf dem Markt) mal was vergessen hat, denn wenn es an Kleinigkeiten fehlt läuft man eben schnell zur "tienda". Tja und immer, wenn ich mit einer Packung Saft und zwei Tomaten oder Toastbrot und Waschmittel von der "tienda" nach Hause laufe, merke ich, dass ich diese Bequemlichkeit eigentlich nicht mehr missen möchte.

Naja und dann ist da noch diese Offenheit der Leute, viel mehr als in Deutschland, die es selbst mir, die ich nicht direkt schüchtern oder verschlossen aber einfach recht ruhig bin, unglaublich einfach macht Leute kennenzulernen und Freunde zu finden. Ja selbst diese Momente in denen du mit jemandem tanzt, den du gerade eben erst kennengelernt hast (und obwohl du eigentlich auch gar nicht tanzen kannst) werde ich vermissen.

Fazit: Woran ich mich in Deutschland erst wieder gewöhnen muss:
Als ich vor einem knappen Jahr nach Mexiko kam, kam ich offen für alles Neue, Unbekannte, eifrig alles aufzunehmen was mir begegnete. Ich glaube, das war viel einfacher als jetzt zurückzukehren zum Altbekannten, von dem ich mich dennoch etwas entfremdet habe.

Ich weiß nicht ob ich die ganzen kleinen Zeichen von Luxus - Waschmaschine, Spülmaschine, warmes Wasser ohne vorher einen Boiler anzumachen, Elektroherd, eigenes Zimmer, etc. - mehr zu schätzen wissen werde. Wahrscheinlich wird das alles wieder viel zu schnell ganz normal, genauso wie die seltsamen deutschen Essenszeiten (ja, aus mexikanischer Sicht sind die wirklich seltsam) oder viel zu hohe Preise, vor allem für Lebensmittel und Transport, und die natürlich in Euro - wie sahen diese Scheine und Münzen nochmal aus?

Aber ich glaube ich habe auch gelernt zu schätzen, dass ich aus einem Land komme und in einem Land leben werde in dem man in fast allen möglichen Aspekten sicherer ist. Wo man auf den Rechtsstaat vertrauen kann und das organisierte Verbrechen kein Machtfaktor ist. Einem Land, in dem die Kriminalitätsrate gering ist. (Auch wenn mir hier nie etwas passiert ist, mir nicht ein Peso weggekommen ist, was ich schon an Geschichten von Raub, Mord und Entführungen gehört habe.. puuuh ihr wollts gar nicht wissen.) Zudem einem Land, in dem es von staatlicher Seite soziale Sicherheit gibt - Unterstützung im Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit, etc. All das ist nicht selbstverständlich.

Dass sich meine Sichtweisen groß verändert, im Sinne von widerlegt und umgekehrt haben, kann ich nicht sagen. Sie haben sich viel mehr durch neue Erkenntnisse erweitert oder aber gefestigt, sodass ich mich jetzt gleichzeitig flexibler und selbstsicherer, aber nicht in sich verändert fühle. Ist das verständlich ausgedrückt? Ich glaube so richtig feststellen oder vielleicht auch an einem Beispiel festmachen können werde ich das erst zurück in Deutschland. Wer weiß ob ich euch verändert vorkomme... ich hoffe wenn nur positiv!

Samstag, 1. Juni 2013

Uruapan, Uruapan, Uruapaaaaan!

Schon einmal einen mexikanischen Busticket-Verkäufer die nächsten Ziele ansagen hören? Nein? Schade, denn es ist gleichzeitig nervig (weil man dann ja auch irgendwann ohne angeschrien zu werden weiß, dass von dieser Station Busse fahren und wohin), lustig (weil diese Schreianfälle oft so plötzlich und spontan aus den Personen herauszusprudeln scheinen) und beeindruckend (ja wirklich, sag mal viermal hintereinander "Uruapan", das hat Zungenbrecher-Potenzial!)

Vor ein paar Wochen (wie schon im Falle Mexiko Stadt hänge ich mit der Berichterstattung etwas hinterher) folgten Xenia und ich dann erstmals dem "Uruapan-Lockruf" und machten uns wieder auf Reisen, beziehungsweise einen Wochenendausflug.

Uruapan selbst ist nicht übermäßig spannend. Es gibt einen sehr schönen Park, in dem ich schon einmal mit meiner alten Gastfamilie und diesmal jetzt mit Xenia war. Vielleicht erinnern die Bilder den ein oder anderen:





Den Abend verbrachten wir im Kino und gingen nicht allzu spät schlafen, denn das eigentliche Highlight des Wochenendes lag noch vor uns. Etwa gegen sieben Uhr am nächsten Morgen hatten wir bereits aus dem hübschen kleinen Hotel ausgecheckt und waren unterwegs zum Busbahnhof. Von dort aus ging es mit so wenig Gepäck wie möglich (was bei vier Litern Wasser aber immer noch recht viel ist) weiter nach Angahuan. In diesem Dorf spricht man ursprünglich Purépecha, eine indigene Sprache. Jeder, oder zumindest jeder, der mit Leuten von außerhalb zu tun hat, spricht aber auch Spanisch. Kinder lernen es als Fremdsprache von klein auf in der Schule.

Angahuan dient Toruisten als Ausgangspunkt für Touren zum Vulkan Paricutín. Dieser entstand erst 1943 und das überaus plötzlich. Von einem der umliegenden Dörfer ist nur noch der aus dem Vulkangestein ragende Kirchturm zu sehen. Führer bieten berittene Touren zum Vulkan sowie dem verschütteten Dorf San Juan Parangaricutiro an. Und genau das war unser Plan für heute.

So trafen wir gleich als wir aus dem Bus ausstiegen auf freundliche Pferdeführer, mit denen wir die Tour machen würden. Letztlich stellte sich zwar heraus, dass uns nur der zwölfjährige Sohn einer der Männer auf die knapp 6-stündige Tour begleiten würde, doch was das anging hatte uns der Reiseführer schon vorgewarnt. Ebenfalls vorgewarnt waren wir, was die Bequemlichkeit eines so langen Rittes angeht. Vor allem ich war leicht besorgt, hatte ich doch noch nie länger als 10 Minuten am Stück auf einem Pferd gesessen.

Der Hinritt war lang, etwa drei Stunden waren wir bei nicht unbeträchtlicher Hitze unterwegs. Wir ritten fast ausschließlich Schritt, traben war einfach zu unbequem, da ich immer wieder den Halt in den Steigbügeln verlor und jedes Mal ungebremst mit dem Hintern auf dem Sattel landete - autsch.

Doch endlich, endlich kam der Vulkan in Sicht. Das Ganze kann man sich etwa so vorstellen:



Den Pferden war schon genug zugemutet worden; an den Aufstieg mussten wir uns auf eigenen Beinen machen. Das Unpraktische: Der Vulkansand ist so fein, dass man mit jedem Schritt den man nach vorne, bzw. oben macht wieder einen halben Schritt hinabrutscht. Der Aufstieg erschien somit schier endlos. Jetzt merkten wir auch, warum unser Führer unten warten wollte! Schatten suchte man vergeblich - dann eben alle zehn Schritte Pause in praller Sonne und einen guten Schluck lauwarmes Wasser! Wir brauchten bestimmt eine halbe Stunde für den Aufstieg und gönnten uns dort oben angekommen dann eine ebenso lange Pause bei leckeren Schokoladenkeksen, unserem einzigen Reiseproviant.
Fotos von ganz oben:

Der Krater... schade, ich dachte immer man könnte hier bis in den Erdkern schauen...
erkennbar selbstverständlich an knall-orangener brodelnder Lava!
KEKSEEEE!
Der Ausblick von oben
Genau der Umstand, der uns den Aufstieg so schwer machte, machte den Abstieg allerdings zu einer spaßigen und kinderleichten Rutschpartie. Ein großer Schritt nach unten und schwuuuups nochmal die gleiche Distanz weitergeschlittert. Ist ein bisschen wie Ski fahren - glaube ich - ist schon etwas her, dass ich das letzte Mal Ski fahren war...

Unten angekommen stiegen wir wieder auf die Pferde und dank neuer, kürzerer Einstellung der Steigbügel hatte ich auch endlich den nötigen Halt, den Rückweg in höherem Tempo anzugehen. Das Traben war plötzlich gar nicht mehr so schwer, nur beim Galoppieren wusste ich nie so ganz ob gerade Adrenalin, Freiheitsgefühl und Spaß überwogen oder doch eher die Angst vorm Runterfallen, die mich immer schon nach kurzer Zeit bremsen ließ.

Nach einem nur Bruchteil der drei Stunden, die wir für den Hinweg gebraucht hatten erreichten wir San Juan Parangaricutiro, das bereits erwähnte verschüttete Dorf - zu erkennen nur am Kirchturm:


Dort konnten wir auch endlich etwas essen, was wir uns redlich verdient hatten. Ein guter Moment, um unsere heute gelernte Purépecha-Vokabel anzuwenden: "diosmellamuilla" bedeutete "danke".

Das Hleiche sagten wir dann wieder zurück in Angahuan auch zu unserem jungen Führer. Wir hoffen er hat sich nicht allzu sehr gelangweilt. Besonders gesprächig war er während der fünf Stunden nämlich nicht...