Montag, 27. Mai 2013

Der letzte Zwischenbericht

Am Montag habe ich meinen letzten Zwischenbericht an ijgd geschickt.
Das bedeutet ich bin tatsächlich nur noch etwa 2,5 Monate lang hier!
Wie jedes Mal bekommt ihr den Auszug, der einen typischen meiner Tage hier beschreibt. Das ganze ist nicht wirklich alles am gleichen Tag passiert, spiegelt aber relativ realistisch wieder wie mein Tag derzeit abläuft:


Es ist Dienstag, etwa halb zehn. Ich gebe den Kampf gegen den Wecker auf, stehe auf und gehe duschen. Etwa zwanzig Minuten später bin ich bereit für den Tag und baue den Notenständer auf um Klarinette zu üben – Weber Concertino – klappt doch immer besser. Der Blick auf die Uhr bringt mich zurück in die Realität, ich packe Klarinette und Notenständer zusammen sowie Unterrichtsmaterialen zusammen, mache mir noch schnell ein „almuerzo“ (warme Mahlzeit zwischen Frühstück und Mittagessen, ca um 11 Uhr, für mich als Spätaufsteher ist es tatsächlich die erste Mahlzeit) warm und verlasse dann gegen halb zwölf das Haus. Direkt vor der Haustür, nun gut genau vor unserem Apartment-Block, nehme den Kombi, der mich fast bis zur Arbeit bringt. Den letzten Kilometer laufe ich – schön also, dass es heute mal  bewölkt ist. Im IJUM angekommen stelle ich fest, ich habe ja gestern das letzte Inhaltsverzeichnis für die Aktenschränke fertig bekommen, habe also gar keine Aufgaben mehr. Ich frage also rum, niemand hat so wirklich etwas zu tun, beziehungsweise es gibt genug Studenten, die hier ihren obligatorischen sozialen Dienst machen, um diese zu schicken. Also lande ich bei Fernando, der eigentlich auch nichts zu tun hat, beziehungsweise nur dann wenn jemand vorbeikommt, dem er eine Rabattkarte für Jugendliche ausstellen kann und leiste ihm beim wenig tun Gesellschaft und quatsche ein bisschen über Deutschland, Mexiko, Fußball und was sonst noch so wichtig ist. Zwischendrin rede ich kurz mit meinem Chef, anscheinend geht es demnächst mit meinem ausgearbeiteten Vortrag zum Thema Bildung, Drogen und Sport, mit besonderem Bezug zu oder Vergleich mit Deutschland, los. Drei Stunden später fängt endlich meine Deutschstunde an. Meine gesamten zwei Deutschschülerinnen sind versammelt, an der Tafel machen wir einen winzigen Vokabeltest, lesen einen Text mit jeder Menge „dürfen“ „müssen“, „können“ und „wollen“, schlagen uns durch Grammatikaufgaben für Modalverben und kleben zu guter Letzt Post-Its an Stühle, Tische, Hefte, Bücher und so weiter um diese mit ihrem deutschen Namen zu beschriften. Um 17 Uhr sind wir auch damit fertig. Wir verabschieden uns und ich nehme einen Kombi ins Zentrum, wo ich um 18 Uhr Probe mit dem Orchester habe. Ich habe vorher noch genügend Zeit die neuesten Noten auszudrucken und mir ein Croissant oder doch lieber einen Joghurt zu kaufen, schließlich ist die letzte Mahlzeit schon etwas her. Von 18 bis 21 Uhr proben wir dann, ausgenommen einer halbstündigen Pause, die sich wie die Zeit nach der Probe prima eignet um mit neuen, aber auch alten Freunden, nämlich Nicole mit der ich in Huecorio war, zu quatschen. Schließlich fahre ich wieder nach Hause, wo ich mit Heißhunger eintreffe. Ich habe Glück, es ist noch Essen im Kühlschrank, das Nudeln kochen trifft mich also erst morgen. Beim Essen unterhalte ich mich mit meinen Brüdern über den Tag und darüber wie sehr wir Marisol vermissen, die ab sofort aus beruflichen Gründen nur noch am Wochenende mit uns wohnt. Schließlich gehe ich in mein Zimmer, setze mich noch eine Zeit lang an den Laptop und lege mir nebenbei einen Plan für die nächste Deutschstunde zurecht. Auf einmal ist es schon halb eins. Zeit zu schlafen. Ich schalte den Laptop aus, stelle den Wecker für morgen und mache schließlich das Licht aus. Buenas noches!

Sonntag, 26. Mai 2013

Juhuu eine erste Frage :)

Mein Papa schreibt: "wer [spielt] denn so im Orchester [...]. Ist das nur die "Oberschicht"? Die Instrumente sind doch sehr teuer, so dass sich diese (aber auch den Unterricht) bestimmt nicht jeder leisten kann. Oder gibt es hier irgendeine Unterstützung, z. B. Leihinstrumente?"

Sehr gute Frage, ich hab mich das auch schon gefragt und eine 100%ige Antwort konnte ich mir leider auch nicht geben, aber ich werde es versuchen.
Von Leihinstrumenten habe ich nichts gehört, allerdings nickt auch der ein oder andere bedächtig mit dem Kopf, wenn ich auf die Frage antworte wieviel mich denn meine Klarinette gekostet hat. Klar, Instrumente sind teuer, aber es gibt ja auch immer noch preisliche Abstufungen und hier ist auch nochmal alles etwas günstiger . (So habe ich etwa 6 Euro bezahlt, dafür dass ich meine Klarinette zweimal zur Reparatur gebracht habe, weil eine Klappe nicht mehr schloss. In Deutschland hätte mich das garantiert mindestens das dreifache wenn nicht das fünffache gekostet, wenn nicht noch viel mehr).
Deutschland ist für viele hier sowieso das "Musiker-Paradies", sowohl was die musikalische (Hochschul-)Ausbildung, als auch die hergestellten Instrumente angeht. So habe ich einen Klarinettisten kennengelernt, der dort fertig studieren möchte, einen Oboisten, der davon träumt in Deutschland eine Oboe zu kaufen und einen Musiker, ich weiss nicht mehr was er spielt, der den Bundesadler als Handy-Hintergrund hat und mich für verrückt erklärt hat meine Heimat verlassen zu haben.
Der Unterricht ist nicht bedeutend günstiger als in Deutschland. Ich habe meinen Klarinettenlehrer von hier einmal gefragt wieviel er gewöhnlich nimmt: Etwa 15 Euro, allerdings weniger wenn er weiss, dass der Schüler nicht viel Geld hat. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jeder Lehrer so sozial anstatt Profit-orientiert eingestellt ist.
Letzlich würde ich sagen es läuft wohl darauf hinaus, dass die Musiker vor allem aus Mittel- und Oberschicht kommen, was in Deutschland ja durchaus ähnlich ist, nur dass wir dort eine deutlich breitere Mittelschicht haben. Wenn man sie aber hier irgendwo doch einigermassen antrifft, dann hier in der Stadt.
Ich habe allerdings auch gehört, dass sich jemand das ganze über Strassenmusik finanziert muss und auch unabhängig davon, verdienen viele durch andere Orchester oder Ensembles dazu, ich denke aber auch mehr aus Spass und zusätzlich wegen des Geldes. Ausserdem versucht das Orchester gerade über die Stadt-Regierung am Stipendien für alle zu bekommen.

Geld spielt also schon eine Rolle, allerdings ist die Einstellung aus zu Geld hier auch eine ganz andere. Es wird nichts zurück gelegt und wenn mal übrig ist, wird es ausgegeben: Ein neues Handy, ein neuer Fernseher, ein Wochenende am Strand, eine grosse Feier also warum nicht auch ein Musikinstrument. Kaum jemand investiert in Versicherungen (diese existieren sowieso nur privat). Jede Art der Krise, ob Arbeitslosigkeit oder Krankheit, schlägt also finanziell hart zu und nicht selten muss die ganze Familie zusammenlegen, Autos verkaufen oder was auch immer, um sie zu bewältigen. Andererseits habe ich richtige existenzbedrohende Armut hier auch kaum bis nicht gesehen. (Was nicht bedeuten soll, dass sie nicht existiert, nur in meinem direkten Umfeld eben nicht.) In den meisten Familien ist zumindest für das allerwichtigste immer genug Geld da, sprich viel Essen (daran wird zuletzt gespart), Strom, Wasser,... Vielleicht wird es mal eng und es gibt keinen Geburtstagskuchen oder kein Benzin fürs Auto, aber kurze Zeit später ist dann auch wieder Geld da. Deshalb finde ich es auch nicht möglich einen Durschnittsmexikaner (auch das gibt es ja schonmal nicht wirklich), arm zu nennen oder "zu arm" um gut ausgestatteter Musiker zu sein. Ist eine Familie, die kein Sofa kauft, keinen Staubsauger, keinen Ofen, das Waschbecken nicht reparieren lässt und von einem Plastik-Coca-Cola Tisch (mit zugehörigen Stühlen) isst arm? Nein, denn sie haben Fernsehen, seit neuestem einen Laptop und der Kühlschrank ist höchstens aus Faulheit leer. Es existieren einfach auch ganz andere Prioritäten...

Ich hoffe ich konnte die Frage so eingermassen beantworten und hoffe es folgen noch mehr!

Freitag, 24. Mai 2013

Erste Hilfe für meinen Blog


5 Einträge im August,
13 im September,
18 im Oktober,
9 im November,
7 im Dezember,
2 im Januar,
4 im Februar,
1 im März,
2 im April,
und 4 im Mai...


Eine konstante Frequenz sieht wahrlich anders aus, aber woran liegt das?


Faktor Nummer eins: Der Umzug vom Dorf in die Stadt und der damit einhergehende "Stress". Wobei es eigentlich nicht wirklich Stress ist, aber Langeweile (wie so manchen Nachmittag im Dorf) habe ich letztlich auch nicht mehr.


Hinzu kommen Internet-Entzugserscheinungen, Ich hatte über einen Monat kein Internet im Haus und das bekam vor allem mein Blog zu spüren!


Ein weiterer Grund: Die Gewohnheit. Nach der anfänglichen Begeisterung finde ich mittlerweile alles ganz normal, was zwar noch lange nicht schlecht heißt, aber eben auch nicht Blogeintrags-würdig. Damit spiegelt mein Blog gut wieder, was man uns auf den Vorbereitungsseminaren schon vorhergesagt hatte. Dass das Einleben in eine fremde Kultur meist mit übermütoger Begeisterung beginnt, gefolgt vom Kulturschock, der bei mir zum Glück ausblieb oder einfach in so kleinen gut verdaubaren Rationen kam, dass es mir nicht weiter auffiel, und schließlich die eben beschriebene Gewohnheit.


Dabei ist es also durchaus möglich, dass ich etwas für euch zuhause überaus interessantes einfach auslasse. Also nutzt doch einach die "Kommentar"-Funktion. Das funktioniert mit oder ohne Google-Konto, mit eigenem Namen, ausgedachtem Namen oder auch anonym. Einfach auf "Keine Kommentare" klicken, wenn du der erste bist oder auf "x Kommentare" wenn du der x+1te bist und es öffnet sich ein Schreib-Fenster.


Also hinterlasst wir eure Fragen oder Ideen für weitere Blogeinträge. Vielleicht können wir mit einigen Vorurteilen gegenüber Mexiko oder den Mexikanern aufräumen und ganz nebenbei meinen Blog reanimieren!

Sonntag, 19. Mai 2013

Eine von 25 Millionen...

... Personen die durch Mexiko-Stadt wuseln... das war ich in der Woche nach Ostern.

Schon recht lange her ich weiß. Vielleicht liegt es daran, dass die Stadt mich leicht überfordert hat, dass ich erst jetzt darüber schreibe. Je nach dem, welche Internetseite man fragt, und ob man die eigentlich Stadt oder das Ballungsgebiet meint rangiert Mexiko-Stadt nämlich auf Platz 1-3 der größten Städte der Welt.

Das bemerkt man vor allem am Verkehr. U-Bahn fahren kann je nach Tageszeit entweder etwas oder sehr nervig werden. Sehr nervig zu den Stoßzeiten, in denen man sich in die Waggons quetschen muss und nervig zu jeder anderen Zeit in der bewegen in den Wagons durchaus möglich ist und sie daher zum Arbeitsplatz für Kaugummi-Verkäufer, CD-Verkäufer (mit Musikboxen im Rucksack, um ihre Ware vorzuführen), Verkäufer von allerlei anderem unnötigen Krimskrams (der dann aber auch nur 10$=70ct. kostet), Bettler oder Komödianten werden. Trotzdem ist die U-Bahn das schnellste Fortbewegungsmittel sowie das günstigste. Dank Subventionen kostet eine Fahrt 3$=20ct. Wo man mit der U-Bahn nicht weiterkommt warten die verschiedensten Arten alter und neuer, großer und kleiner Busse, benzin- oder strombetrieben. Die ganze Stadt scheint ununterbrochen in Bewegung und an jeder Ecke entstehen neue Brücken, die entfernte Teile der Stadt schneller miteinander verbinden. Egal wohin man braucht bestimmt immer mindestens ein halbe Stunde. Mit eigenem Auto womöglich noch länger. So nett diese Stadt für eine Woche war, es gibt wirklich fast schon zu viel zu sehen, leben würde ich hier nicht wollen.

Wo wir aber bei viel zu sehen sind: Das ist tatsächlich kein Wunder, wenn erobernde Spanier eine eigene Stadt über eine bereits existierende Aztekenstadt setzen (führt zum Anblick von Tempelresten neben Kirchen und Wolkenkratzern) und wenn in dieser Stadt später ein Viertel der Bevölkerung des Landes wohnt, was sie zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des Landes macht.

Was übrigens die miesen Vorurteile über Mexiko Stadt angeht: Die Stadt ist tatsächlich eines der sichersten Pflaster Mexikos.

Jetzt aber von Anfang an. Begleitet wurde ich wieder einmal von Xenia, mit der ich schon durch Yucatán unterwegs war. Nachmittags trafen wir uns am Busbahnhof von Mexiko und fuhren, da uns unsere potenziellen Gastgeber, andere deutsche Freiwillige, nicht geantwortet hatten ins Zentrum, um dort ein Zimmer im Hostel zu nehmen. Von dort aus suchten wir dann per Internet wieder Couch-Surfing-Unterkünften, um möglichst wenige Tage im Hostel verbringen zum müssen.

Den restlichen Tag verbrachten wir damit durchs Zentrum zu schlendern.
Ein paar Eindrücke:

Der Zócalo, Hauptplatz Mexiko-Stadts. Hier ist immer etwas los, diesmal: American Football.
Die riesige Flagge hat übrigens Maße von 14,3 x 25 Metern.

Die Kathedrale von Mexiko-Stadt, direkt am Zócalo

Sieht stark nach einem Modell von Tenochtitlan aus, der Aztekenstadt die an gleicher Stelle stand,
bevor die Spanier darüber Mexiko Stadt errichteten

Diese Haus nennt sich casa de los azulejos - Fliesenhaus
Für den nächsten Tag hatten wir uns zunächst den Templo Mayor vorgenommen, also die Ausgrabungen eines alten Tempels Tenochtitlans gleich neben der Kathedrale. Das interessante ist, es ist noch keine 100 Jahre her, das dieser Tempel entdeckt wurde. Man dachte vorher er liege komplett unter der Kathedrale und könne daher nicht freigelegt werden. Aber tadaaa, hier ist er. Man stelle sich vor, Aztekentempel, mitten in einer andererseits wieder völlig modernen Großstadt:



Aztekisch ging es weiter, nämlich in Teotihuacan. Das liegt etwa 50km außerhalb von Mexico City, bedeutet etwa eine halbe Stunde zum Busbahnhof und weitere 45 Minuten zur archäologischen Stätte.

Vom Eingang aus an dem wir ankamen, ging es zunächst zum Tempel des Quetzacóatl:

Quetzacóatl ist einer der wichtigsten aztekischen Götter und wird als gefiederte Schlange dargestellt, wie in den Reliefs noch sehr gut zu erkennen ist:


Noch bekannter ist Teotihuacan jedoch für die Sonnenpyramide, die große klobige hier:


Sowie für die kleinere Mondpyramide, die man hier von oben wunderbar sieht. Einen zweiten Aufstieg sparten wir uns jedoch. Ich merkte auch so die kommenden Tage beim Treppen steigen noch meine Schenkel!

Apropos weitere Tage: Das Unterkunfts-Problem war leider immer noch nicht geklärt und so schickten wir zurück in der Stadt Mail nach Mail und Sms um Sms an Couchsurfer und befreundete deutsche Freiwillige, um eine Alternative zum Hostelaufenthalt zu finden. Während wir auf Antworten warteten lernten wir noch ein paar weitere Teile Mexiko Stadts kennen:

Der Palast der schönen Künste, drinnen soll es auch schön sein, wir beließen es beim äußeren Anblick.
Im Hintergrund: der Torre Latinoamerica
Direkt daneben ein schöner Park, die Alameda Central
Mittlerweile wurde es dunkel, wir waren bis zur Plaza de la República mit dem
hier blau erleuchteten Revolutionsdenkmal gelaufen.
Mittlerweile hatte sich dann aber doch jemand bei uns gemeldet: Manuel - Couchsurfer - konnte uns zwar selbst nicht treffen, wollte aber seinen Bruder schicken uns abzuholen. So holten wir unsere Taschen aus dem Hostel und liefen bzw irrten mehr als eine halbe Stunde lang suchend durch die U-Bahnstation an der wir uns treffen wollten, bis wir Jonathan, von dem wir nur wussten dass er rote Hose und schwarzes T-Shirt trug, endlich trafen. Eine knappe Stunde später, so lange Zeit, wie wir bis zu unserer neuen Privat-Unterkunft brauchten, kannten wir uns dann doch schon etwas besser und trafen im Haus auch schließlich auf Manuel.

Unsere Unterkunft erwies sich mal wieder als echter Glücksgriff. Die beiden schmiedeten bereits Pläne uns die Stadt zu zeigen und morgens bekamen wir ganz ungefragt Frühstück. Manuel war bereits auf der Arbeit, aber Jonathan, der immer nachmittags zur Schule geht verließ mit uns das Haus, um uns in den Stadtteil Coyoacan zu begleiten, der als eine der Touristenattraktionen Mexiko gilt. Schön anzusehen sind beispielsweise dieser Koyoten-Brunnen (Koyoten - Coyoacan - aaah daher der Name):


Noch interessanter ist das Museum Frida Kahlos, das blaue Haus:


Drinnen ist fotografieren leider nur gegen Gebühr erlaubt, die ich nicht bezahlen wollte. Das Museum ist aber wirklich zu empfehlen. Generell ist Frida Kahlos Lebensgeschichte einfach interessant. Vielleicht hat jemand den Film "Frida" mit Salma Hayek in der Hauptrolle gesehen. Wer ihn nicht kennt sollte ihn sich ruhig angucken, vor allem diejenigen die möglicherweise demnächst nach Mexiko Stadt kommen und die Chance hätte hier ins Museum zu gehen, ja ihr seid gemeint Mama und Papa und auch du Markus. Letzterer kennt ihn vielleicht schon, ich jedenfalls habe ihn irgendwann mal im Spanisch-Unterricht gesehen. Mit Film und Spanisch-Unterricht als Grundlage jedenfalls kommt einem im Museum doch so einiges bekannt vor und das Museum tut dann sein übriges Bezüge zwischen ihrem Leben (vor allem ihrer Behinderung infolge eines Unfalls und dem Auf und Ab ihrer Liebe zu Diego Rivera) und ihrer Malerei und ihrer Persönlichkeit herzustellen.

Nach Coyoacán ging es in den Stadtteil San Angel, der aber nicht sonderlich spektakulär war, was ich spätestens daran merkte, dass ich von dort kein einziges Foto habe. Die meiste Zeit dort verbrachten wir mit warten auf Manuel und mit essen.

Anschließend, bei schon einbrechender Dunkelheit, wurde es dann wieder interessanter, denn wir gingen uns das Gelände der UNAM, der Universidad Nácional Autonoma de México, ansehen. Diese staatliche Universität gilt als beste Lateinamerikas und ihr Gelände ist dank zahlreicher Wandgemälde außerdem UNESCO-Weltkulturerbe. Gutes Beispiel dafür, was ich denn mit Wandgemälden genau meine ist die Universitätsbibliothek:


Gleich um die Ecke steht übrigens auch das Olympiastadium der Spiele von 1968.


Gleichzeitig ist es das Heimspiel-Stadion der "Pumas", offiziell der Mannschaft der UNAM, im Endeffekt aber viel zu gut bezahlt um zu studieren und ein genauso zusammengekaufter Haufen wie alle Teams der ersten mexikanischen Liga.
Generell haben hier fast alle Fußballmannschaften etwas kreativere Namen als einfach ihre Heimatstadt. So heißt das Team von Guadalajara "chivas" (=Ziegen) und unsere Mannschaft von Morelia sind die Monarcas (=Monarchfalter).
Was in Deutschland die Bayern sind, man liebt oder man hasst sie, ist hier übrigens "América". Anders als die Bayern ist diese Team aus Mexiko Stadt aber nicht nur dafür verhasst viel zu oft zu gewinnen und die Liga aufzukaufen, sondern auch dafür, Mannschaft der Fernsehsender-Gruppe Televisa zu sein, die fast ein Informationsmonopol und entsprechend große Macht hat. Schlägt Televisa sich in der Präsidentschaftswahl also auf Seiten Enrique Peña Nietos, der zudem vorsorglich eine Schauspielerin aus einer Telenovela Telvisas heiratete, gewinnt dieser schwups die Präsidentschaftswahl. Man stelle sich vor die ARD mache Wahlkampf für Merkel und diese heirate Florian Silbereisen...

Vierter Tag in Mexiko Stadt: Ab in den Bosque de Chapultepec, einen riesigen Park von 4km² mitten in Mexiko Stadt. Chapultepec ist übrigens nahuatl und bedeutet Heuschreckenhügel.
Mitten im Park liegt das Castillo de Cahpultepec, ehemals Sitz des Präsidenten, heute Museum und zudem Aussichtspunkt über den Park.







Später verließen wir den Park, um uns auf den Weg zum "Angel de la Independencia" zu machen. Erinnert euch dieses Monument der Unabhängigkeit nicht auch an die Siegessäule in Berlin?



In der Zeit in der wir dort waren soll es angeblich ein Erdbeben gegeben haben. Ich habe davon mal wieder nichts mitbekommen. Das kann doch so echt nicht weitergehen. Dauernd bebt die Erde und nie bekomme ich es mit. Wie soll ich denn so jemals ein kleines Erdbeben erleben?? Wohl nicht in Deutschland.

Zum Abschluss des Abends noch ein Bierchen in einer Bar in der wir dann zufällig noch eine andere deutsche Freiwillige trafen (sowie absichtlich die Freiwilligen die hier in Mexiko arbeiten). Aber das mit dem Zufall muss man sich mal vorstellen, da hat so eine Stadt 25 Millionen Einwohner, und wir als Fremde treffen zufällig jemanden den wir kennen!

Tag 5 ist erstaunlich unspektakulär. Da wir beschlossen hatten doch nicht schon am Wochenende abzureisen um noch einen Abstecher nach Puebla zu machen sondern zu bleiben (und wir haben wirklich 100 Mal nachgefragt ob das Für Jonny, Manuel und ihre Eltern auch wirklich kein Problem sei), hatten wir jede Menge Zeit. So machten wir uns auf den Weg zu einem kleinen kostenlosen Konzert, das der Musikrichtung entsprechend aber eher für Xenia interessant war. Ja ich gebe zu ich habe mich an diesem Tag etwas gelangweilt. Ein Tag ohne Fotos - ein fast verlorener Tag.

Tag 6, es wird wieder interessant, heißt es gibt auch wieder Fotos. Wir fuhren nach Xochimilco (gesprochen Zotschimilko). Einen Stadtteil in dem man noch erkennt, dass ganz Mexiko Stadt bzw schon damals Tenochtitlan auf einen See gebaut wurden. Dort gibt es nämlich Kanäle, über die man gegen entsprechendes Entgelt gerne ein paar Stunden spazieren gefahren wird. Die Boote sehen etwa so aus:



Schön bunt und für gewöhnlich mit Frauennamen. Schaut mal, eine Boot heißt Daniela:


Besonders lustig: Ebenfalls von Booten aus wurde Essen verkauft:


Und auf weiteren Booten fuhren Mariachi durch die Gegend:


Kurz gesagt wieder ein absolut gelungener Tag, aber auch leider schon der letzte. Am Abend wurde noch ein bisschen gefeiert und so schliefen wir am nächsten Tag erst gehörig aus bevor wir uns wieder auf den Weg nach Hause ins schöne Michoacán und ins geradezu beschauliche Morelia machten.

Donnerstag, 9. Mai 2013

100 Punkte im mexikanischen Einbürgerungstest

... verleihe ich mir persönlich dafür dass ich gestern gekocht habe und es meinen Gastgeschwistern zu scharf war. Dabei habe ich wirklich die allerkleinste Chili die ich gefunden habe in den Topf geworfen bzw. in den Mixer.

Ich habe nämlich dein Rezept für Spaghetti mit Tomatensoße und Zucchini-Stückchen etwas weiterentwickelt, Mama. Wie konnte dir nie auffallen, dass darin Chili fehlt? ;)

Mittwoch, 8. Mai 2013

Dinge die dir in Deutschland nicht passieren

Warum ich mitten am Tag (hier ist es gerade halb eins mittags) an meinem Laptop sitze und einen Eintrag schreibe? Nun ich muss zugeben der eigentliche Plan war jetzt gerade auf der Arbeit zu sein und so verließ ich wie jeden Tag gegen 11:30 das Haus, fuhr 10 Minuten mit dem Kombi (= Mini-Bus) und lief dann noch weitere 10 Minuten bei knallender Sonne und knappen 30°C zum "Instituto de la Juventud" meinem Arbeitgeber. Einige Angestellte auf dem Parkplatz und jede Menge junge Menschen vor den Eingängen - dieser Anblick verwirrte mich schon leicht und ja, ich hatte recht, heute würde kein normaler Arbeitstag werden. Die Mitarbeiter auf dem Parkplatz begrüßten mich mit: "Du kannst eigentlich gleich wieder nach Hause gehen", denn das IJUM war "eingenommen" worden.

"Eingenommen", das ist noch die bestmögliche Übersetzung für "tomado" (was nebenbei bemerkt in anderem Kontext auch betrunken heißt). Trotzdem verbinde ich das Wort "eingenommen" auf Deutsch eher mit Ritterburgen oder vielleicht noch mit strategisch wichtigen Städten in Kriegen, kurz gesagt mit nichts, das meinen persönlichen Alltag beeinflusst.

Hier ist das anders. Nahezu ständig ist das Stadtzentrum von Demonstranten "eingenommen" oder irgendwo anders eine wichtige Straße, Autos können nicht mehr passieren und in den Ausweichstraßen staut sich der Verkehr. Die Uni streikte Anfang des Jahres wochenlang und seitdem immer mal wieder halbtags, da der Konflikt wohl immer noch nicht gelöst ist. Studenten protestieren regelmäßig gegen die staatliche Bildungsreform, über die aber auch jeder etwas anderes sagt: Einmal ist sie wichtig für die Weiterentwicklung des Landes, soll höhere Ausbildungsniveaus schaffen, durch Prüfungen für die Lehrer, einen anderen Tag höre ich diese Prüfung solle aber nicht fachspezifisch sein sondern Allgemeinwissen abfragen, sei außerdem ein weiteres Türchen für die Korruption und nebenbei schaffe die Reform auch Unterstützungsgelder ab, die Kindern und Jugendlichen in ärmeren Regionen überhaupt erst ermöglichen zur Schule zu gehen, da diese Gelder zu oft zu unrecht erschlichen würden. So etwas wie unabhängige Berichterstattung um sich einmal selbst zu informieren gibt es nicht - Pressfreiheit? Fehlanzeige... auch einen Blogeintrag wert eigentlich.

Was also heute mal wieder los war, ganz einfach ich weiß es nicht. Nicht dass ich nicht nachgefragt hätte, aber die Antwort "Die wollen Geld." hat mich nicht viel weiter gebracht. Generell weiß ich hier nie ob das jetzt alles einzelne Probleme sind oder ob das nicht doch alles zusammenhängt oder ob, wie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, hinter der einen oder anderen Unruhe nicht doch das organisierte Verbrechen oder die Politik stecken (sofern man zwischen den beiden Faktoren überhaupt unterscheiden kann).

In Deutschland hätten wir gegen die meisten dieser Unruhen ein gutes Mittel: Staatsgewalt, sprich Polizei, oder einfach gleich schöne ordentliche, genehmigt Demonstrationen. Und hier, naja hier nicht. Nicht dass es nicht genug Polizei gäbe, die fahren hier genauso wie das Militär alle paar Minuten scharf bewaffnet vorbei, doch eingreifen wollen/können/dürfen/sollen sie nicht. Was dieser Haufen Modalverben soll? Ganz einfach, ich verstehe die Gründe selbst nicht. Wenn alles was Macht hat irgendwie zusammenhängt, sich kennt und korrupt ist, ist es nahezu unmöglich zu durchschauen wer die Fäden zieht.

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Da wünsche ich mir manchmal ein wenig deutsche Ordnung her, um mal eine elegante Überleitung zu einem Themawechsel um 180° einzubringen. Ich will hier keine Klischees verbreiten, aber fest steht, hier in Mexiko verstehe ich unser deutsches Wertesystem besser, da ich das mexikanische eben nicht immer verstehe, und lerne es entsprechend auch besser zu schätzen. Nicht weil es für alle besser ist, sondern weil es für mich besser ist, weil ich damit aufgewachsen bin und dafür erzogen wurde. Klingt jetzt sehr theoretisch, zur Erklärung zwei Beispiele:

Erstens wird mir hier vorgeworfen ich sei so "seria". Übersetze ich das jetzt mit "ernst" fühle ich mich beleidigt, denn ich bin nicht ernst. Ich lache viel und gerne, über wirklich lustige sowie einfach nur alberne Dinge. "Seria" ist man hier aber schon, wenn man wenig redet, auch wenn man die Person, mit der man da so wenig redet erst seit einigen Minuten oder Stunden kennt. Und wer mich kennt, wirklich kennt, sprich mindestens seit Monaten oder besser seit Jahren, weiß, mein Repertoire reicht von mucks-mäuschen-still bis plappern wie ein Wasserfall und bei sich fast überschlagender Stimme. Das hängt von der Situation ab, vor allem davon wie vertraut ich mit meinen Gesprächspartnern bin. Ich weiß nicht ob das ein persönliches oder ein tendenziell deutsches Verhaltensmuster ist, aber ich weiß, es ist kein mexikanisches. Den meisten Leuten hier fällt es leicht gegenüber völlig Unbekannten ein Gesprächsthema nach dem anderen aus dem Ärmel zu schütteln. Ich persönlich kann das nicht und bevorzuge Schweigen gegenüber an den Haaren herbeigezogenen Fragen, deren Antwort mich ja vielleicht auch eigentlich gar nicht interessiert. Fazit ich bin "seria". "Gut und du redest mit zu viel Mist!", könnte ich antworten, doch wir, die Mexikaner und ich, würden aneinander vorbeireden, da wir unterschiedliche Werte und Erziehung haben.

Zweites Beispiel: Höflichkeit. Seitens Mexikanern wurde mir gegenüber schon häufiger die Bemerkung geäußert, Deutsche seien weniger höflich als Mexikaner. "Was'n Blödsinn!" Wäre da die erste Antwort die mir einfällt. Ein paar Sekunden und einige Gedankengänge später würde ich sie aber wohl um "Wie definieren Höflichkeit nur anders." erweitern. Woher diese Bemerkung kommt? Wohl von der deutschen Direktheit. In Deutschland gilt konstruktive Kritik als positiv. Hat man ein Problem mit einer Person, ein Problem dieser Art, dass sich lösen lassen könnte wenn man es anspricht, wird es eben angesprochen. Das finde ich höflicher als mich bis auf alle Zeit stillschweigend oder aber im Gespräch mit anderen, hinterm Rücken der betroffenen Person darüber aufzuregen. Warum finde ich das höflicher? Weil ich in Deutschland aufgewachsen bin. Ein Mexikaner oder ein Mexikanerin könnte sich ganz schön vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn ich so offen mit Kritik an ihnen käme, und sei diese noch so konstruktiv. Er oder sie fände mich womöglich unhöflich, weil ich nicht einfach meine Klappe halten kann wenn dies aus ihrer Sicht angemessen ist.

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Fazit, manchmal bekomme ich Lust wieder in einem Land zu leben, in dem ich auf Recht und Ordnung vertrauen kann und in dem ich mich absolut auskenne, sprich in Deutschland. Andererseits werde ich jedes Mal wenn ich an den Abschied denke regelrecht melancholisch, habe ich mir doch auch hier ein so schönes Leben eingerichtet. Fest steht, in drei Monaten fliege ich nach Hause, vor allem mit positiven Erfahrungen im Gepäck, die das Jahr zum außergewöhnlichsten meines Lebens machen aber auch mit der einen oder anderen negativen oder nachdenklich machenden. Beides trägt dazu bei, dass die Entscheidung für ein Jahr hier herzukommen eine der wohl besten war, die ich je getroffen habe.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Wie sieht ein Teller nach mexikanischem Essen aus?


Richtig, es liegt der Rest einer (wohlgemerkt von mir als schon fast deutsch-Mexikanerin höchstpersönlich) angebissenen Chilischote darauf!