Freitag, 8. Februar 2013

Alles Neu...

Dann bin ich jetzt wohl Großstädterin, denn Morelia, wo ich seit Montag wohne hat laut Internet und Reiseführer etwa 600.000 Einwohner. Die Leute hier machen es auch gerne mal zur Millionenstadt - wer weiß ob das mittlerweile stimmt.

Meine neue "Familie" ist eigentlich gar keine Familie im Sinne von "Vater-Mutter-Kind(er)", denn ich wohne mit drei Geschwistern zusammen, die ohne ihre Eltern hier in Morelia leben und studieren oder arbeiten.

Ich teile mir ein Zimmer, sowie auch die Matratze, mit Marisol, 26 Jahre alt, vorrübergehend arbeitslos und deshalb zuhause. Wir verstehen uns super, auch wenn sie wohl dachte, dass ihr neuer deutscher Gast eher in ihrem Alter sein würde. So hat sie mich stattdessen eben zur kleinen Schwester erklärt, auf die gut aufgepasst werden muss.

Ihr großer Bruder Christian (32) arbeitet den ganzen Tag und ist kaum zuhause. Marisol hatte mich schon vorab gewarnt, dass sie und ihre Brüder immer viele Scherze machen (und außerdem viel fluchen, aber das habe ich auch so schon gemerkt) und so war ich nicht weiter geschockt als er mich fragte, ob meine Eltern mich denn nicht lieben würden, dass sie mich so jung so weit weg gehen lassen würden... "Doch", antwortete ich ihm also, und deshalb würden sie mich ja in dem unterstützen, was ich tun will.

Den jüngeren Bruder habe ich noch nicht kennengelernt, er ist gerade nicht zuhause weil seine Universität streikt. Er studiert Architektur, ist so alt wie ich und laut Marisol werde ich mich gut mit ihm verstehen, so wie schon mit ihr und ihrem großen Bruder. Hoffen wir das sie recht hat!

Das Haus ist sehr einfach, was mich nicht weiter stört. Werde ich meine Kleidung eben nur noch per Hand waschen, dafür gibt es warmes fließendes Wasser zum Duschen, was für mich ein kleiner Luxus ist. Das einzige was mich leicht fertig macht ist, dass die Wasserhähne tropfen und dauernd jemand das Licht anlässt - Verschwendung.

Was die Arbeit angeht bin ich leider derzeit nicht so zufrieden. Zunächst wurde der Termin, wann ich dort im "Instituto de la Juventud" (Institut der Jugend) vorgestellt werden sollte mehrfach verschoben, und als ich nun am Mittwoch dort vorgestellt wurde, erfuhr ich nur, dass meine eigentliche Arbeit, Deutschunterricht, erst ab dem 18.02. beginnen würde. Und auch dann nur eine Stunde täglich von Montag bis Freitag und samstags vier. Außerdem solle ich bei einmaligen Aktionen wie beispielsweise zum Valentinstag mithelfen. All das hört sich zwar nicht schlecht an, trotzdem aber, und das habe ich im Gespräch sowohl mit Vertretern des "IJUM" sowie mit meiner Freiwilligenorganisation "Vive México" angesprochen, hätte ich gerne noch mehr kontinuierliche Aufgaben, schlicht und einfach mehr zu tun.

Ich hoffe das klappt, ich gebe zu derzeit bin ich was das angeht leicht deprimiert da gelangweilt und aber auch enttäuscht. Schließlich bin ich mit der Überzeugung hierher nach Mexiko gekommen zu arbeiten. Für mich selbst war es bisher vor allem abseits der Arbeit dennoch eine großartige Erfahrung und ich habe es nie bereut hierher gekommen zu sein, doch sehe ich irgendwie nicht den Sinn darin, mir im Endeffekt vor allem Freizeit vom BMZ (Bundesministerium für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung) sowie von Verwandten, Freunden und Bekannten per Spende sponsern zu lassen.

Was ich also mit meiner ganzen Freizeit mache? Zum Beispiel mit Marisol zu ihrem Englischunterricht gehen. Das erinnert mich auf eine nostalgische Art und Weise an meine noch nicht so lang vergangene Schulzeit und ist zudem sehr amüsant, da der Lehrer eine unverkennbare Ähnlichkeit mir Kaya Yanar als Ranjid hat.

Außerdem bin ich zu Alejandras Geburtstag wieder zurück nach Huecorio gefahren. Das war lustig, da ich am nächsten Tag mit zum Essen verkaufen in der Schule gekommen war, und daran, wie viele mich gegrüßt und angesprochen haben, erst richtig gemerkt habe wie sehr ich schon Teil dieser Schule geworden war. Nach Huecorio zu kommen war jedoch erst einmal ein kleines Abenteuer, denn die Straße zwischen Morelia und Pátzcuaro war etwa 6km vor Ankunft gesperrt, Autos stauten sich, der Bus blieb stehen, bzw beschloss schließlich nach Morelia zurückzukehren und die Mehrheit der Fahrgäste daher aufzusteigen und einige Kilometer zu laufen. Und so legte ich die nächsten zwei Kilometer bei sengender Sonne zu Fuß zurück, weitere zwei Kilometer per Anhalter auf der Pick Up Ladefläche und den Rest endlich im Kombi (also dem hiesigen Äquivalent zu einem Linienbus). Das ganze zum Glück nicht alleine, sondern mit anderen Fahrgästen mit gleichem Schicksal. So lernte dabei Adelina kennen, die zufällig auch aus Huecorio kommt.

Und wieder einmal stelle ich fest, ich bin nicht in Deutschland, ich bin in Mexiko! Wäre sonst einfach so eine Straße gesperrt gewesen? Immerhin diesmal nicht wegen einer Schießerei, das soll es auch schon gegeben haben, sondern durch eine streikende Busgesellschaft? Wäre ich sonst auf einer Pick Up Ladefläche mitgefahren? Hätte ich sonst so schnell neue Bekanntschaften geschlossen? Ich glaube nicht und sagt was ihr wollt, aber ich fühle mich wohl in diesem Land, in dem so viel mehr Spontanität gefragt ist.

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