Mittwoch, 7. November 2012

Nicht nur Freizeit

Ja ich gebe zu, ich habe in letzter Zeit nahezu ausschließlich über meine Freizeit geschrieben. Das liegt zum einen daran, dass meine Freizeit einfach abwechslungsreicher ist als der Schulalltag und mir persönlich daher berichtenswerter erscheint, und andererseits daran, dass ich einfach immernoch recht viel Freizeit habe. Ich habe mittlerweile neun Stunden in der Woche, was immernoch viel zu wenig ist, und habe den Direktor deshalb letztens gefragt ob ich nicht vielleicht zusätzlich an der Secundaria (Mittelstufe) unterrichten könnte. Er hat zwar zugesagt dort nachzufragen, da ich aber gestern von Nicole erfahren habe, dass sie bereits in den nächsten zwei Wochen die Einsatzstelle wechseln muss, gehe ich davon aus, dass mein Wechsel, der mir ebenfalls, jedoch ohne Zeitangabe, angekündigt wurde, auch kurz bevor steht und es daher wenig Sinn macht neue Projekte in Angriff zu nehmen. Wechseln muss ein Großteil der Freiwilligen, da das Auswärtige Amt, scheinbar aufgrund kritischer Berichte über das weltwärts-Programm in Deutschland, seit neuem stärker mitmischt, stärker auf die Sicherheit der Freiwilligen achtet und fast alle Orte in Michoacán aus mir und den Entsendeorganisationen unbekannten Gründen als zu unsicher einstuft. Ich persönlich fühle mich hier absolut sicher und habe mich außerdem bestens eingelebt. Weiteres über dieses Thema werde ich berichten sobald ich mehr Informationen habe. Derzeit stammen diese alle aus zweiter oder dritter Hand und von ijgd habe ich wie gesagt noch nichts Konkretes gehört, sodass ich nicht genau sagen kann wann und inwiefern ich betroffen sein werde.

Zurück aber zu meiner derzeitigen Einsatzstelle, dem CECYTEM Huecorio. Meine Englischstunden laufen mal so mal so. Ich weiß nicht genau ob das an meinen Themen oder an den Launen der Schüler liegt, wahrscheinlich an einer Mischung aus beidem. Und so gibt es Stunden, nach denen ich die Klasse mit dem guten Gefühl verlasse, dass meine Schüler etwas gelernt haben, und andere an denen ich die Klasse mit nichts als Kopfschmerzen verlasse. Allgemein ist das Niveau in der Klasse sehr unterschiedlich und so gibt es Schüler, die sich nach 20 Minuten bereits langweilen und andere die ich die gesamten 50 Minuten zwingen muss doch wenigstens von der Tafel abzuschreiben. Ich habe leider noch keinen guten Weg gefunden damit umzugehen. Was ich jedenfalls aufgegeben habe ist individuelle mündliche Mitarbeit. Melden funktioniert einfach nicht. Und so frage ich entweder in die ganze Klasse und freue mich über jeden, der die richtige Antwort reinruft, oder lasse nach und nach jeden einzelnen einen Satz bilden, den ich eigentlich schon fast komplett an die Tafel geschrieben habe. Um die Aussprache zu verbessern, wie mich auch der richtige Englischlehrer gebeten hat, da er diese selbst nur schlecht beherrscht, spreche ich auch häufig Wörter oder Sätze vor und lasse sie im Chor nachsprechen. Einmal hatten die Schüler anscheinend so viel Spaß daran, dass sie danach mich dazu brachten ihnen die spanischen Übersetzungen nachzusprechen, um ebenfalls meinen seltsamen Akzent loszuwerden. So einen Spaß mache ich dann gerne auch mal mit, ich glaube so haben sowohl die Schüler als auch ich mehr Spaß am Unterricht und auch wenn ich weniger Autorität habe als die richtigen Lehrer und Lehrerinnen, werde ich doch auch als solche anerkannt. Eine weitere sehr gute Stunde hatte ich mit Nicoles Klasse, in der ich sie einmal vertreten musste. Thema der Stunde waren Gesichtsausdrücke und so malte ich etwa 20 unterschiedliche Gesichter an die Tafel und schrieb das entsprechende englische Wort dazu. Da ich auch in der Klasse rumfragte, welche Gesichtsausdrücke ich malen sollte landete beispielsweise auch ein betrunkener Smiley an der Tafel. Danach zeigte ich nach und nach auf die Gesichter und ließ die Schüler im Chor die entsprechende Vokabel sagen. Um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen wischte ich nach und nach immer mehr Vokabeln weg, sodass schließlich nur noch die Gesichter blieben und das Spiel immernoch funktionierte. Mit meinen eigenen Klassen hatte ich jedoch zwischenzeitlich das Problem, dass nur die Hälfte der Schüler zu meinem Unterricht erschein, womöglich, da sie wissen, dass ich keine Noten gebe. Derzeit ist jedoch auch das besser, möglicherweise da ich ab und zu die Anwesenheit kontrolliere.

Ähnlich läuft es in den Kulturstunden. Auch dort hatte ich zwischenzeitlich weniger als die Hälfte der Schüler vor mir, vor allem dienstagmorgens, da meine Kulturstunde ihre erste Stunde war, für die sie nur ungerne extra früher aufstehen wollten. Das kann ich sogar irgendwie verstehen, bis vor einem halben Jahr war ich schließlich selbst noch Schülerin. Trotzdem ärgerte es mich, zumal ich für die Kulturstunden selbst immer viel vorbereitet habe. Der anfängliche Plan war, nach und nach europäische Länder vorzustellen, wenn möglich mit besonderem Bezug auf ihre Kultur. Das wurde aber mit der Zeit vor allem für die Schüler, ehrlich gesagt aber auch für mich sehr langweilig. Ich hielt quasi jede Stunde ein 50-minütiges Referat, da meine Versuche die Schüler einzubeziehen, wenn möglich sogar zu Diskussionen anzuregen grandios scheiterten. Auf Nachfragen meinerseits, was sie denn interessieren würde, wir wären schließlich an keinen Lehrplan gebunden, kamen ebenfalls keine Reaktionen. Nur einmal, als ich über Dänemark auf Kopenhagen und die kleine Meerjungfrau kam und das Märchen erzählte kam die Frage nach deutschen Legenden und Märchen auf. Auf meine Bitte im Gegenzug mexikanische Legenden mitzubringen ging leider niemand ein und auch die Loreley, der Rattenfänger von Hameln und Dornröschen schienen sie eher weniger zu beeindrucken. Und so war mein nächstes Angebot ihnen ein paar Worte deutsch beizubringen, wie die Parallelklasse von Nicole eingefordert hatte. Es stellte sich heraus, dass sie lieber Französich lernen wollten, dies stieß dafür aber auf helle Begeisterung. Auch meine ersten beiden Französischstunden liefen recht gut und so profitiere auch ich von meinen Stunden und frische meine lange ungenutzten Französischkenntnisse auf.

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