Wie bitte kann ein Wochenende unfreiwillig lang sein? Hat man nicht immer zwei Tage Wochenende? Und kann ein Wochenende jemals zu lang sein? Ja das funktioniert und zwar folgendermaßen: Dieses Wochenende feierte Mexiko seinen Unabhängigkeitstag. Immer wenn dieser auf ein Wochenende fällt gibt es dafür montags frei. (Super Regelung finde ich, das sollte man hier auch mal einführen.) Da wir Freiwilligen alle nur temporäre Visa haben, mussten wir jedoch alle noch einmal nach Morelia zur Immigrationsbehörde um unsere richtigen Visa zu erhalten und machten dafür entsprechend diesen Dienstag aus. Wie viele weitere Freiwillige beschloss ich schon Samstag anzureisen, um die Feiern zum Unabhängigkeitstag mitzuerleben, die beschauliche Ruhe meines Dörfchens noch einmal gegen das Großstadtleben einzutauschen und mich mit den anderen Freiwilligen auszutauschen. Planmäßig hatte das Wochenende für mich also vier Tage.
Doch jetzt gilt es mal ein Vorurteil gegen Deutschland zu widerlegen, beziehungsweise zumindest dessen Ausnahmestatus anzuzweifeln. Die deutsche Bürokratie wird allgemein gefürchtet, doch die mexikanische steht ihr garantiert in nichts nach. Für die Beantragung eines Visums bzw dessen Verlängerung braucht man folgende Unterlagen:
- Ein Antragsformular, per Hand auszufüllen. Darin muss tatsächlich die Rasse (weiß, gelb/asiatisch, schwarz oder Mestize), der Körperbau (schlank, mittel, robust) und das Gewicht (haha ja das dachtet ihr jetzt ich schreibs hier hin oder was?!) angegeben werden.
- Ein weiteres Antragsformular, per Internet auszufüllen. Ein einziger Fehler kann nicht einmal mit Bleistift auf dem Ausdruck korrigiert werden und führt daher dazu, dass man erneut ins Internatcafé laufen darf. Als Fehler zählt auch schon die Abkürzung s/n für sin numero, also ohne Hausnummer. Probleme bereitet auch der Buchstabe "ß", da dieser nicht eingegeben werden kann, aber ja leider in manchen Namen so im Pass steht. So musste einer der Freiwilligen der Behörde spontan schriftlich erklären und unterschreiben, dass ein "ß" bedenkenlos durch ein "ss" ersetzt werden kann.
- Einen Ausdruck der Internetseite, von der man die Postleitzahl gezogen hat.
- Passfotos in Mini-Format, zwei frontal und zwei im Profil (aber ohne Gefangenennummer). Wichtig dabei: Haare aus dem Gesicht, keine Ohrringe, und absolut weißer Hintergrund. Klingt einfach, doch die erste Farmacia (ja das wird mit Apotheke übersetzt aber Supermarkt der zufälligerweise auch Medikamente führt passt besser) in der wir Bilder machen versagte leider in 17 von 19 Fällen. Der Hintergrund war den Beamten teilweise zu blau, teilweise zu grau.
- Ein "Recibo de luz/de agua" also eine Strom- oder Wasserrechnung, die in Mexiko als Nachweis für die Adresse gilt. Sowohl Original als auch Kopie.
- Original und Kopie des Reisepasses, inklusive temporärem Visum.
- Ein bei der Einreise, also im Flugzeug ausgefülltes und dann am Flughafen weiter bearbeitetes Formular. Sowohl Original als auch Kopie.
Teil 2: Ein patriotisches Fest
Am 15. und 16. September, auch fiestas patrias genannt, feiert Mexiko seine Unabhängigkeit von Spanien. Diese ist das Resultat eines von 1810 bis 1821 andauernden Unabhängigkeitskrieges. An besagtem 16. September 1810 rief der Priester Miguel Hidalgo in seiner Gemeinde Dolores zur Rebellion auf. Dieser sogenannte "Grito de Dolores" (Schrei von Dolores) wird jedes Jahr in der Nacht vom 15. auf den 16. September wiederholt. Traditionell angeblich um Punkt 0 Uhr, worauf wir uns einstellten, um schließlich festzustellen, dass er schon um 22:30 stattgefunden hatte und wir ihn verpasst hatten. Was wir allerding nicht verpassten war die Parade am nächsten Tag. Patriotismus und auch eine Spur Militarismus sind in Mexiko sehr verbreitet. (Ich erinnere hier mal an meinen Post "Ankunft in Huecorio": Mit Fahne über den Schulhof marschieren und anschließendes Nationalhymne singen jeden Montag). Die Parade konnte dies jedoch deutlich übertreffen. Zunächst fuhr das Militär kräftig auf und zeigte stolz alles, was es hat:
Außerdem folgten Schulen, Universitäten, die Feuerwehr und die Polizei. Ich fand das zwar interessant mitzuerleben, trotzdem ziehe ich immer automatisch den Vergleich mit Deutschland. Na, was wären wir wenn wir stolz und schwer bewaffnet durch die Straße marschieren würden? Nazis. Deshalb habe ich einfach eine gewisse Abneigung gegenüber solchen Veranstaltungen, auch wenn Mexiko natürlich einen anderen historischen Hintergrund hat und Patriotismus keine Ablehnung anderer Völker einschließen muss (und hier meiner Einschätzung nach auch nicht tut).
Mit von der Partie waren übrigens auch diese Herren hier:
Endlich mal so richtig typische Mexikaner, oder? Wie man sie sich vorstellt, oder? Um mal mit dem weit verbreiteten Bild eines Mexikaners aufzuräumen: Die Parade mal ausgenommen, habe ich noch niemanden so rumlaufen sehen, auch wenn ein Mexikaner uns erzählte, es gäbe eine Gegend in der tatsächlich schnauzbärtige Männer mit Sombrero herumreiten.
Um sich also an diesem Feiertag so richtig mexikanisch zu zeigen, helfen eher Stände wie diese, die man in Deutschland am 3. Oktober wohl nicht finden wird, wohl aber zur Fußball-WM.
Außerdem habe ich die Tage in Morelia auch genutzt, um die Stadt weiterhin zu erkunden. Hier ein paar schöne Plätze, einen Brunnen und eine Kirche, die ich (mit Hilfe meines Reiseführers) gefunden habe:
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