Donnerstag, 20. September 2012

Ein unfreiwillig langes Wochenende braucht einen unfreiwillig langen Blogeintrag!

Teil 1: Immer diese Behörden!

Wie bitte kann ein Wochenende unfreiwillig lang sein? Hat man nicht immer zwei Tage Wochenende? Und kann ein Wochenende jemals zu lang sein? Ja das funktioniert und zwar folgendermaßen: Dieses Wochenende feierte Mexiko seinen Unabhängigkeitstag. Immer wenn dieser auf ein Wochenende fällt gibt es dafür montags frei. (Super Regelung finde ich, das sollte man hier auch mal einführen.) Da wir Freiwilligen alle nur temporäre Visa haben, mussten wir jedoch alle noch einmal nach Morelia zur Immigrationsbehörde um unsere richtigen Visa zu erhalten und machten dafür entsprechend diesen Dienstag aus. Wie viele weitere Freiwillige beschloss ich schon Samstag anzureisen, um die Feiern zum Unabhängigkeitstag mitzuerleben, die beschauliche Ruhe meines Dörfchens noch einmal gegen das Großstadtleben einzutauschen und mich mit den anderen Freiwilligen auszutauschen. Planmäßig hatte das Wochenende für mich also vier Tage.

Doch jetzt gilt es mal ein Vorurteil gegen Deutschland zu widerlegen, beziehungsweise zumindest dessen Ausnahmestatus anzuzweifeln. Die deutsche Bürokratie wird allgemein gefürchtet, doch die mexikanische steht ihr garantiert in nichts nach. Für die Beantragung eines Visums bzw dessen Verlängerung braucht man folgende Unterlagen:
  1. Ein Antragsformular, per Hand auszufüllen. Darin muss tatsächlich die Rasse (weiß, gelb/asiatisch, schwarz oder Mestize), der Körperbau (schlank, mittel, robust) und das Gewicht (haha ja das dachtet ihr jetzt ich schreibs hier hin oder was?!) angegeben werden.
  2. Ein weiteres Antragsformular, per Internet auszufüllen. Ein einziger Fehler kann nicht einmal mit Bleistift auf dem Ausdruck korrigiert werden und führt daher dazu, dass man erneut ins Internatcafé laufen darf. Als Fehler zählt auch schon die Abkürzung s/n für sin numero, also ohne Hausnummer. Probleme bereitet auch der Buchstabe "ß", da dieser nicht eingegeben werden kann, aber ja leider in manchen Namen so im Pass steht. So musste einer der Freiwilligen der Behörde spontan schriftlich erklären und unterschreiben, dass ein "ß" bedenkenlos durch ein "ss" ersetzt werden kann.
  3. Einen Ausdruck der Internetseite, von der man die Postleitzahl gezogen hat.
  4. Passfotos in Mini-Format, zwei frontal und zwei im Profil (aber ohne Gefangenennummer). Wichtig dabei: Haare aus dem Gesicht, keine Ohrringe, und absolut weißer Hintergrund. Klingt einfach, doch die erste Farmacia (ja das wird mit Apotheke übersetzt aber Supermarkt der zufälligerweise auch Medikamente führt passt besser) in der wir Bilder machen versagte leider in 17 von 19 Fällen. Der Hintergrund war den Beamten teilweise zu blau, teilweise zu grau.
  5. Ein "Recibo de luz/de agua" also eine Strom- oder Wasserrechnung, die in Mexiko als Nachweis für die Adresse gilt. Sowohl Original als auch Kopie.
  6. Original und Kopie des Reisepasses, inklusive temporärem Visum.
  7. Ein bei der Einreise, also im Flugzeug ausgefülltes und dann am Flughafen weiter bearbeitetes Formular. Sowohl Original als auch Kopie.
Diese Überflutung an Dokumenten, missverstandene (weil auch teilweise schlecht erklärte) Angaben und die doch recht knappen Öffnungszeiten der Behörde (9-13 Uhr) führten dazu, dass keiner von uns seinen Antrag am ersten Tag fertig bekam und wir so unser Wochenende unfreiwillig um einen weiteren Tag verlängerten. (Manchen kam das allerdings auch ganz gelegen. Sie nahmen sich auch noch den Rest der Woche frei und sind schon auf dem Weg ans Meer.) Heute aber, also am Mittwoch, bekamen wir unsere Anträge alle durch. Die meisten von uns wurden für nächste Woche Mittwoch wieder in die Behörde zitiert, um die fertigen Visa abzuholen. Warum manche noch auf ihren Termin warten weiß ich nicht. Jedoch empfehle ich im Umgang mit mexikanischen Behörden eine möglichst aufrichtige Freundlichkeit. Ich weiß nicht, ob die mir im Gegensatz zu wenigen anderen den festgelegten Termin eingebracht hat, aber wenn nicht, brachte sie mir wenigstens ein Kompliment für mein gutes Spanisch ein.

Teil 2: Ein patriotisches Fest

Am 15. und 16. September, auch fiestas patrias genannt, feiert Mexiko seine Unabhängigkeit von Spanien. Diese ist das Resultat eines von 1810 bis 1821 andauernden Unabhängigkeitskrieges. An besagtem 16. September 1810 rief der Priester Miguel Hidalgo in seiner Gemeinde Dolores zur Rebellion auf. Dieser sogenannte "Grito de Dolores" (Schrei von Dolores) wird jedes Jahr in der Nacht vom 15. auf den 16. September wiederholt. Traditionell angeblich um Punkt 0 Uhr, worauf wir uns einstellten, um schließlich festzustellen, dass er schon um 22:30 stattgefunden hatte und wir ihn verpasst hatten. Was wir allerding nicht verpassten war die Parade am nächsten Tag. Patriotismus und auch eine Spur Militarismus sind in Mexiko sehr verbreitet. (Ich erinnere hier mal an meinen Post "Ankunft in Huecorio": Mit Fahne über den Schulhof marschieren und anschließendes Nationalhymne singen jeden Montag). Die Parade konnte dies jedoch deutlich übertreffen. Zunächst fuhr das Militär kräftig auf und zeigte stolz alles, was es hat:


 
Außerdem folgten Schulen, Universitäten, die Feuerwehr und die Polizei. Ich fand das zwar interessant mitzuerleben, trotzdem ziehe ich immer automatisch den Vergleich mit Deutschland. Na, was wären wir wenn wir stolz und schwer bewaffnet durch die Straße marschieren würden? Nazis. Deshalb habe ich einfach eine gewisse Abneigung gegenüber solchen Veranstaltungen, auch wenn Mexiko natürlich einen anderen historischen Hintergrund hat und Patriotismus keine Ablehnung anderer Völker einschließen muss (und hier meiner Einschätzung nach auch nicht tut).
 
Mit von der Partie waren übrigens auch diese Herren hier:


Endlich mal so richtig typische Mexikaner, oder? Wie man sie sich vorstellt, oder? Um mal mit dem weit verbreiteten Bild eines Mexikaners aufzuräumen: Die Parade mal ausgenommen, habe ich noch niemanden so rumlaufen sehen, auch wenn ein Mexikaner uns erzählte, es gäbe eine Gegend in der tatsächlich schnauzbärtige Männer mit Sombrero herumreiten.

Um sich also an diesem Feiertag so richtig mexikanisch zu zeigen, helfen eher Stände wie diese, die man in Deutschland am 3. Oktober wohl nicht finden wird, wohl aber zur Fußball-WM.

 
Teil 3: Wie zwei Leben
 
Na, das klingt dramatisch oder? Was ich damit meine, ist, dass die Zeit die ich im Dorf, also Schule und Gastfamilie verbringe kaum zu vergleichen ist mit der, die ich in bisher in der Stadt, also vor allem mit deutschen Freiwilligen, aber auch ein paar Mexikanern verbracht habe. Ein Grund dafür, ist dass der Unterschied in Mexiko zwischen Stadt und Land, auch bezüglich der Mentalität der Leute, tendenziell größer ist als in Deutschland. Außerdem gibt es in einer Gastfamilie natürlich gewisse Regeln, während es in Morelia niemanden interessiert um wieviel Uhr ich nachhause komme. Auch muss ich zugeben, dass ich mich wahnsinnig gefreut habe, wieder richtige Gespräche führen zu können. Ich fühle ich in meiner Gastfamilie und in der Schule sehr wohl und selbstverständlich wird auch eine Menge geredet, aber einerseits besteht immernoch eine gewisse Sprachbarriere und andererseits ist es mit einer Person, die gerade genau das Gleiche erlebt wie man selbst, deutlich einfacher sehr offen zu reden. Andererseits will ich mich aber auch nicht bei jeder Gelegenheit aus dem Dorf flüchten schließlich ist dieser Schritt in eine neue Umgebung der, den ich gehe wollte und weiterhin gehen will.

Außerdem habe ich die Tage in Morelia auch genutzt, um die Stadt weiterhin zu erkunden. Hier ein paar schöne Plätze, einen Brunnen und eine Kirche, die ich (mit Hilfe meines Reiseführers) gefunden habe:
 

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