Donnerstag, 11. Oktober 2012

Día de la Raza

Am 12.Oktober 1492 landete Christoph Kolumbus in Amerika.

520 Jahre später bedeutet das: schulfrei in Mexiko!
520 Jahre minus einen Tag später (also heute) bedeutet das: Acto (= Festakt)

In diesem wurde dann natürlich auch auf die eigentliche historische und gesellschaftliche Bedeutung dieses Tages hingewiesen. Zuerst hat es mich etwas stutzig gemacht, dass ein solcher Tag, der doch eher ein schicksalsreiches Datum für die indigene Bevölkerung Mexikos darstellte (mehr noch jedoch der 21. April 1519 an dem Hernan Cortes ihr Land betrat), als Feiertag gilt. Aus dem Festakt, der etwa eine Dreiviertelstunde dauerte und wie üblich mit aufmarschieren mit Nationalfahne und singen der Nationalhymne angegangen wurde, ging jedoch hervor, dass dieser Tag nicht nur das Jubiläum der Entdeckung eines aus Sicht der Europäer neuen Kontinents darstellt, sondern auch das Jubiläum des indigenen Widerstands sowie die Geburtsstunde einer neuen "Rasse", der Mestizen, also Nachkommen von Indigenen und Spaniern. Diese machen je nach Internetquelle etwa 60-75% der Bevölkerung aus. So schien es mir als sähen die Mexikaner dieses historische Datum mit gemischten Gefühlen und nicht rein negativ, wie ich erwartet hätte. Allerdings kann man wohl dies auch nicht so verallgemeinern, zumal das Thema mir im Alltag eigentlich kaum präsent scheint. Nicht einmal in meiner Kultur-Stunde zum Thema Spanien bekam ich von meinen Schülern mehr als ein Kopfnicken auf die Frage ob sie Hernan Cortes kennen würden. Ich glaube allerdings, dass das mehr an Schüchternheit als an Unwissenheit liegt und daran, dass man sich hier, meiner Auffassung nach, in der Schule eher wenig kritisch mit Themen auseinandersetzt .

Nocheinmal zurück zum Wort "Rasse", das ich in Ausführungszeichen gesetzt habe. Eigentlich verweigert sich in mir alles dieses Wort zu verwenden (da merkt man mal, wie sehr die Geschichte des Heimatlandes prägt) aber ich weiß nicht, wie ich das spanische "raza" das hier (mangels nationalsozialistischer Vergangenheit) ganz ohne Bedenken oder negative Assoziationen verwendet wird, anders übersetzen soll.

Wie bereits erwähnt sind diese "actos" ebenso wie "desfiles" sehr militärisch geprägt. Ich musste mich einige Zeit dazu durchringen gemeinsam mit den anderen Schülern und Lehrern der Nationalflagge zu salutieren (und ich mache das auch eigentlich nur weil ich mich, wenn ich nicht mitmache noch eine Spur unwohler fühle). Dazu wird die rechte Hand flach mit der Handfläche nach unten an die Brust gelegt. Die Hymne werde ich allerdings nicht mitsingen. Erstens weil ich ich den Text nicht auswendig kann und zweitens, weil er mir nicht gefällt:
  
Coro:
Mexicanos, al grito de guerra
el acero aprestad y el bridón.
|: Y retiemble en sus centros la tierra,
al sonoro rugir del cañón. :|
Refrain:
Mexikaner, zum Kriegsgeschrei
die Schwerter und das mutige Ross bereit
|: Auf dass die Erde in Zentren erbebt sei
zum Kanonen-Knall ihr bereit seid. :|
Estrofa I:
Ciña ¡oh Patria! tus sienes de oliva
de la paz el arcángel divino,
que en el cielo tu eterno destino
por el dedo de Dios se escribió.
Mas si osare un extraño enemigo
profanar con su planta tu suelo,
piensa ¡oh Patria querida! que el cielo
|: un soldado en cada hijo te dio. :|
Strophe I:
Es bekränzt, Oh Vaterland, deine Stirn
mit den Olivenzweigen des Friedens der göttliche Erzengel.
Dein ewiges Schicksal wurde im Himmel
durch den Finger Gottes geschrieben.
Und wagt es ein fremder Feind
mit seinem Fuß deinen Boden zu entweihen,
denke, geliebtes Vaterland, daran, dass der Himmel dir
|: mit jedem Sohn einen Soldaten gegeben hat. :|

Es gibt noch einige weitere Strophen, die jedoch für gewöhnlich nicht alle gesungen werden. Wie gesagt, mir gefällt diese Hymne, die so direkt zum (Verteidigungs-)Krieg aufruft, nicht. Allerdings lasse ich es als Entschuldigung gelten, dass sie 1853 geschrieben wurde, also keine wirklich aktuelle Aussage hat sondern eher von vergangenen Kriege und deren Nachwirkung geprägt ist, besipielsweise vom verlorenen Krieg gegen die USA 1846-48 in dessen Folge Mexiko mehr als die Hälfte seines Territoriums verlor.

Diesmal gehörte aber neben dem salutieren der Fahne noch eine weitere Geste zum Festakt, die mich eindeutig zu stark an einen Hitlergruß erinnerte, um sie mitzumachen. Und so stand ich da, Arme angelegt, zwischen hunderten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ausgestrecktem rechten Arm und fragte mich was das denn bitte soll und was ich jetzt tun soll. Leider weiß ich nicht genau, was die Geste genau bedeutet. Laut Nicole, die dies wiederum vom Direktor der Schule hat bedeutet sie so etwas wie Widerstand oder kritisches Beobachten. Meine Ablehnung dieser Geste ist in diesem Zusammenhang also eigentlich völlig unbegründet, aber wieder einmal merke ich, wie sehr die Geschichte meines Landes und daraus resultierende Tabus mich geprägt haben.

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